: Info-Reise mit Folgen
■ Japanische Richter treffen Bremer ÖTV-Kollegen
Damit es sich ihre deutschen Kollegen richtig vorstellen können, zeigte der japanische Strafrichter Tomoyuhi Ito (31) gestern nachmittag in der Kantine des Bremer Landgerichts ein Blanko-Formular. „Das ist die Personalakte unserer Richter“, erklärte der Übersetzer, „sie darf von uns nicht eingesehen werden, und hier kann der Gerichtspräsident Bemerkungen zur nächsten Versetzung machen, zum Beispiel auch über unsere Reise nach Deutschland und über unseren Wunsch, eine Richter-Vereinigung zu gründen.“
Trotz der möglicherweise unangenehmen Folgen haben Ito und seine beiden Richterkollegen Tetsuro Maekawa (51) und Noriyoshi Asami (31) ihr japanisches Lächeln beim zweitägigen Bremen-Besuch nicht vergessen. Gestern informierten sie sich beim Bundessprecher der „Richter und Staatsanwälte in der ÖTV“, dem Bremer Richter Bernd Asbrock, über die gewerkschaftliche Interessenvertretung in Deutschland.
Obwohl es im 120 Mio Einwohner großen Japan mit 2.800 nur sehr wenige Berufsrichter gibt (in der BRD sind es 17.000) und der Oberste Gerichtshof bislang jeden Gründungsversuch einer Richter-Organisation verboten hat, haben die drei japanischen Gäste der Bremer ÖTV die Hoffnung noch nicht aufgegeben. „Wie hoch ist Ihr Mitgliedsbeitrag“, fragte Maekawa, „haben Sie Ihr Streikrecht schon einmal ausgeübt“, wollte Ito wissen. Und interessiert hörte die kleine japanische Delegation von der Beteiligung der Bremer Richter an den 1.-Mai-Demonstrationen und der Richter-Blockade in Mutlangen.
„In Japan gibt es keinen einzigen Richter, der Parteimitglied ist“, berichtete Maekawa. „Wahrscheinlich“, ergänzte er, denn kontrollieren könne das natürlich auch niemand. Allerdings würde eine Parteimitgliedschaft genauso schnell zur Diskriminierung bei der nächsten Versetzung führen, wie der Aufbau einer gewerkschaftlichen Interessenvertretung. Da die Richter in Japan alle drei Jahre das Gericht wechseln müssen, läßt sich mit der geheimen Personalakte großer Druck ausüben. Und loyalen Nachwuchs gibt es auch genug: Auf 500 Stellen als Rechtsreferendare kommen in Japan 30.000 Bewerber.
Ase
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