Vulkan hat Nawatzki-Haus wieder

■ Polizei beendete Besetzung / Gelände abgesperrt, Haus „unbewohnbar“

10 Jahre stand es leer und verfiel. 23 Tage war es von Jugendlichen besetzt. Seit gestern verfügt der rechtmäßige Besitzer, der Bremer Vulkan, wieder über das Nawatzki-Haus in Bremen Nord. Erste Verwendung des wiedergewonnenen Eigentums: Fenster wurden herausgerissen, Möbel flogen durch die Fenster, das gesamte Gelände wurde mit mannshohen Zäunen abgesperrt. „Total unbewohnbar machen“ lautete nach Auskunft eines Bauarbeiters die Aufgabe eines Bautrupps, den der Vulkan gestern in die Villa geschickt hatte. Einer der jugendlichen Besetzer, der die Arbeiten des Rollkommandos aus gebotener Entfernung verfolgte, mit mühsam unterdrücktem Schluchzen: „Wenn die jetzt so damit umgehen, hätten sie's uns doch auch lassen können.“

Pünktlich um 9.30 stand gestern morgen der Gerichtsvollzieher vor den verbarrikadierten Türen des Nawatzki-Hauses. Seine Begleitung: Etwa 60 Polizeibeamte, Wasserwerfer, gepanzerte Fahrzeuge, schweres Räumgerät. Per Megaphon wurden die Besetzer zur sofortigen Räumung aufgefordert. Aber: Nichts rührte sich. Räumfahrzeuge und Seilwinden traten in Aktion, bahnten sich und den nachrückenden Beamten krachend einen Weg durch den Gatterzaun, der das blätterbedachte, wildbewachsene Privat -Grundstück vom öffentlichen Raum der Straße trennt. Klaglos ergab sich ein massiv gemauerter Pfeiler der Staatsmacht. „Mit Einverständnis der Besitzer“ wie ein Polizeisprecher betonte.

Als der Gerichtsvollzieher endlich seines Amtes walten will

und die Besetzer pflichtgemäß von der sofortigen Vollziehbarkeit des auf Antrag des Eigentümers ergangenen gerichtlichen Räumungsbeschlusses in Kenntnis setzen will, scheitert er erneut. Die Hausbesetzer sind längst weg. Während an der verbarrikadierten Vorderfront wieder Recht und Ordnung in Bremen Nords Welt einziehen, haben sie sich klammheimlich durch ein Seitenfenster zurückgezogen. Die Idee, die Polizei mit einem Sektfrühstück zu begrüßen, war im letzten Moment an Zweifeln am Humor der Polizei gescheitert. Als die Beamten endlich in die erste Etage stürmten, finden sie - niemanden. Polizeioberrat und Einsatzleiter Ring nach der Aktion erleichtert: „Ich bin froh, daß wir keinen Zwang anwenden mußten.“ Indiz für Ring, daß es auch anders hätte kommen können: „Im Haus haben wir Flaschen und Rohrschellen gefunden, die sich leicht als Wurfgeschosse hätten mißbrauchen lassen.“ Gegen 10.15 verkündet Ring: „Aktion beendet!“

Die Beamten ziehen ab. Die Bauarbeiter kommen. Eine halbe Stunde später ist das Gelände komplett eingezäunt, unter den Fenstern der Vorderfront türmen sich alte Möbel, Holzplanken, Bretter, Barrikadenreste. Nur das Transparent: „Ohne uns zu fragen, wird hier kein Stein abgetra

gen“ hängt noch. Ein Bauarbeiter: „Einfacher wäre gewesen: Das ganze Haus einmal vollgasen, das ganze Pack ausräuchern.“

Was jetzt mit dem Haus passiert, weiß man beim Bremer Vulkan offensichtlich selbst noch nicht. „Es wird betrieblich genutzt werden“, erklärte gestern eine Sprecherin auf Nachfrage. Wann? „Möglichst bald.“ Wie? „Irgendwie.“

Klar ist dagegen, was vier Hausbesetzern passieren wird, die die Polizei gestern kurzfristig in der Vegesacker Innenstadt festnahm, nachdem sie das Haus längst verlassen hatten: Sie müssen mit Strafverfahren wegen Hausfriedensbruchs und Sachbeschädigung rechnen. Der Vulkan hat Strafanzeige gestellt.

Ob die übrigen jetzt - wenigstens zum Teil - eine Ersatzwohnung bekommen, wie es ein Kompromiß zwischen Besetzern und Sozialbehörde bislang vorsah, ist wieder fraglich. Eine Liste mit den Namen der Bedürftigsten, auf die Besetzer sich inzwischen nach einigem Hickhack verständigt haben und die in zwei Lesumer Wohnhäusern eine neue Bleibe finden sollten, ist inzwischen weitgehend hinfällig. Eine erste Prüfung der Behörde ergab: Die Mehrheit der Genannten verfügt bereits über eine „zumutbare“ eigene Wohnung.

K.S.