„Tornado“ wütet auf der Hardthöhe

■ Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums sollen jahrelang den Bundestag hintergangen haben

Berlin (taz) - Die Beschaffung des elektronischen Waffensystems „Cerberus“ für das Kampfflugzeug Tornado wird ein parlamentarisches Nachspiel haben. SPD-Fraktionsvize Ehmke und sein Fraktionskollege Jungmann forderten gestern eine umgehende Sondersitzung des Verteidigungsausschusses: Es gelte einen der größten Rüstungsskandale aufzuklären. Die Grünen plädierten für einen parlamentarischen Untersuchungsausschuß. Ehmke erklärte, das Verteidigungsministerium habe gegen den Hauptverantwortlichen Anzeige erstattet. Offenbar habe eine „kleine Clique“ bei dem Rüstungsgeschäft die Leitung im Verteidigungsressort ausgeschaltet.

16 Jahre lang soll der Bundestag bei der Einführung des elektronischen Abwehrsystems „Cerberus“ für den Mehrzweckflieger Tornado hintergangen worden sein. Das berichtete am Dienstag abend das Fernsehmagazin „Panorama“. 1,2 Milliarden Mark seien ausgegeben worden, ohne daß der Bundestag davon unterrichtet wurde. Nicht nur, daß eine Gruppe im Verteidigungsministerium jahrelang das Geschäft mit dem Decknamen „Caligula“ geheimgehalten und die Gelder dafür in einem Einzeletat versteckt habe - dieselben Personen sollen darüber hinaus die vorgeschriebenen Truppentests systematisch hintertrieben haben. Zu allem Überfluß habe sich Anfang des Jahres bei „seriösen Tests“ herausgestellt, daß das Radarabwehrsystem gegenüber modernen Feuerleitsystemen wirkungslos sei. Eine zentrale Rolle haben nach dem Fernsehbericht auch der Bundesnachrichtendienst (BND) und der israelische Geheimdienst Mossad gespielt. Die wesentlichen Komponenten des „Cerberus“ sollen in Israel beschafft worden sein. Sie basierten auf US-amerikanischer Kiegselektronik, deren Weitergabe den Israelis untersagt ist.

Fregattenkapitän Lang wies gestern im Bonner Verteidigungsministerium die Vorwürfe als „unhaltbar“ zurück: „Cerberus“ sei, „soweit wir das beurteilen können, kein Problem“. In den Jahresberichten 1987/88 sei das Waffensystem erstmals auf Initiative des Verteidigungsministeriums gesondert unter dem Titel „Tornado -Systemzuschlag, Anteil elektronische Flugzeugrüstsätze“ ausgewiesen worden. Der von „Panorama“ genannte Betrag von 1,2 Milliarden entspräche den Entwicklungskosten des System „Cerberus II“ bis „Cerberus III“. Ebensowenig könne davon gesprochen werden, daß die Elektronik, die feindliche Radaranlagen täuschen soll, nichts tauge. Sie erfülle im Gegenteil alle im „ursprünglichen Entwicklungsziel“ gestellten Forderungen. Lang räumte allerdings ein, daß das Verteidigungsministerium ein Vefahren gegen einen früheren Projektbeteiligten „im Zusammenhang mit der finanziellen Abwicklung“ einleiten ließ. Der BND wies ebenso die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurück. „Panorama“ zufolge soll der Geheimdienst in einer Geheimoperation „Pamir“ hochsensible Elektronik im Wert von 50 Millionen Mark an die Volksrepublik China für einen Lauschangriff gegen die Sowjetunion geliefert haben. Die Millionenbeträge seien dazu aus dem Etat des Kampfbombers ohne Wissen des Bundstages abgezweigt worden. Das Verteidigungsministerium soll sich an der BND-Aktion beteiligt haben. Wie 'dpa‘ gestern berichtete, soll die Aktion in den zuständigen parlamentarischen Ausschüssen beraten und beschlossen worden sein. Die Bundesregierung habe seinerzeit „konkret den Auftrag gegeben“, diese Anlagen in China aufzustellen.

Wolfgang Gast