: Szene-Zoff um den Alexander-Palast
■ Alexander-Palast-Initiative gegen VEB 7: Westberliner HausbesetzerInnen und Ostberliner Kulturinitiative streiten um ein Haus / Beide fühlen sich vom anderen überfahren
Mitte. „Jetzt, wo wir endlich anfangen könnten, sitzen auf einmal die Wessis drin.“ Die Enttäuschung in der Stimme von Susanne Steinhöfel ist nicht zu überhören. Es geht um den Gebäudekomplex Brunnenstraße 6/7 in Mitte. „Im Januar beantragten wir die Räumlichkeiten bei der KWV, doch die verzögerten die Angelegenheit immer wieder. Mittlerweile hat sich da nicht nur der Name geändert - der neue Geschäftsführer der 'Wohnungsbaugesellschaft Mitte mbH‘, Falk Jesch, zeigte für unser Vorhaben viel Verständnis und schloß mit uns bereits einen Optionsvertrag auf die Gebäude ab.“ Nachdem Susanne Steinhöfel Anfang des Jahres einige Gleichgesinnte um sich versammelt hatte, gründeten sie gemeinsam den „Alexander-Palast e.V.“. Benannt nach dem im Haus befindlichen ehemaligen Kino, sollte dort nach Vorstellung der Initiatoren ein „soziokulturelles Zentrum“ entstehen. Vorgesehen waren unter anderem Darstellungsmöglichkeiten für (vorwiegend Amateur-)Künstler aller Genres, verknüpft mit sozialer und therapeutischer Betreuung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Dazu sollten im Gebäudekomplex Brunnenstraße 6/7 unter anderem Probebühnen, Ateliers, ein Theater, Beratungsstellen und Werkstätten entstehen. Platz genug wäre dafür, sind doch die Hinterhäuser schon in den Jahren 1988 und 1989 aus bautechnischen Gründen „leergezogen“ worden, und auch die noch in den Häusern verbliebenen Nutzer wie Humboldt -Universität und „Casino Berlin“ zeigten Verständnis und wollen bis Jahresende ausgezogen sein.
Uwe „Matt“ Dahms, ebenfalls Mitglied des „Alexander-Palast e.V.“: „Wenn wir ein Finanzierungs- und Nutzungsprojekt vorweisen können, will uns die Verwaltung einen Mietvertrag geben. Dafür brauchen wir Sponsoren. Um die aber zu bekommen, muß natürlich erst einmal der gegenwärtige Zustand der Häuser überprüft werden - als aber in der letzten Woche ein Architekt und ein Statiker die Gebäude besichtigen wollten, ließen die Wessis sie einfach nicht rein. Dadurch gefährden sie unser ganzes Projekt. Dabei wollen sich sogar Leute wie Rolf Hochhuth für unser Vorhaben einsetzen.“
„Die Wessis“, das sind rund zwanzig Studenten der Westberliner Freien Universität. In Anbetracht der auch im Westteil der Stadt grassierenden Wohnungsnot machten sie sich auf die Suche nach einem leerstehenden Haus, befanden eben jenes in der Brunnenstraße für ihre (Wohn-) Zwecke geeignet - und besetzten es. „Wir wußten ja nicht, daß das Gebäude praktisch schon 'vergeben‘ war“, versuchen die BesetzerInnen die Situation zu erläutern. „Und als die Leute von 'Alexander-Palast‘ hier das erste Mal aufkreuzten und von ihrem Projekt erzählten, da haben wir uns richtig gefreut und ihnen angeboten, mit uns zusammenzuarbeiten.“ Denn auch die Westberliner hatten beschlossen, den Gebäudekomplex für kulturelle Aktivitäten zu nutzen. Dazu gründeten sie den „VEB 7 e.V“, den „Verein zur Erhaltung der Brunnenstraße 6/7“. Die Zielstellungen ähneln in vielen Dingen denen vom „Alexander-Palast“. Eigentlich unterscheiden sie sich nur in der Art der geplanten Ausführung. Während die „Alexander-Palast„-Leute den Komplex von Grund auf und mit einemmal sanieren wollen, sind die FU-StudentInnen dafür, das Projekt Stück für Stück zu eröffnen.
Warum also eine solche Verhärtung der Fronten? Es scheint, daß sich einerseits die OstberlinerInnen neben der sowieso schon vorherrschenden West-Dominanz in der Teilstadt sich nun auch noch von Westberliner Hausbesetzern „überrollt“ fühlen. Matt Dahms: „Sicher verstehen wir, daß jetzt die Westberliner zu uns rüberkommen, um leerstehende Häuser zu besetzen, aber es kann doch nicht sein, daß sie eine Zusammenarbeit mit uns in unseren Häusern von unserer Kompromißfähigkeit abhängig machen.“ Auch Susanne Steinhöfel ist von der Haltung der WestberlinerInnen unangenehm berührt: „Wir bemühen uns, um endlich die Gebäude für uns zu bekommen, und jetzt wollen uns die Westberliner Besetzer vorschreiben, was wir bei uns machen sollen.“
Andererseits scheint auch bei den Westberliner BesetzerInnen die Sensibilität für die besondere emotionale Situation von DDRlern zu fehlen. Ein Besetzer: „Ich weiß gar nicht, was das soll, sie können doch bei uns mitmachen.“ Glücklicherweise ist jedoch der Wunsch zum Dialog auf beiden Seiten vorhanden. Sonntag treffen sich die Vertreter beider Vereine zu einem klärenden Gespräch.
Olaf Kampmann
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