Im Norden wird alles anders

■ Klimaveränderungen ungleich verteilt / Industrieländer stärker betroffen / Erwärmung langsamer als erwartet / Forscher fordert unbedingt weniger Treibhausgase

Berlin (taz) - Die Klimaveränderung wird die nördliche Erdhälfte härter treffen als bisher angenommen. Das hat Professor Klaus Hasselmann vom Zentrum für Meeres- und Klimaforschung der Universität Hamburg mit einem neuen Berechnungsmodell herausgefunden. Während sich die Temperatur auf der südlichen Halbkugel sogar noch abkühlt, müssen die Industrieländer sich auf größere Veränderungen gefaßt machen.

Am Nordpol soll die Temperatur um drei bis vier Grad steigen, was zur Folge hätte, daß der Pol noch schneller abtaut. Zwar würde der Meeresspiegel bis zum Jahr 2020 nur um 1,5 bis 2,3 Zentimeter steigen, die durchschnittliche Temperatur auf der Erde wird sich vermutlich bis zum Jahr 2015 um 0,3 Grad erhöhen. Bisher wurde prognostiziert, daß es um 1,4 Grad wärmer wird. Die Konsequenzen für die nördliche Hemisphäre könnten aber dennoch dramatische Ausmaße haben. Hasselmann schließt nicht aus, daß die Klimaänderungen eine wesentliche Umstellung des Strömungssystems der Weltmeere verursachen werden. Der Golfstrom beispielsweise verliert den Antrieb, wenn Frischwasser von schmelzendem Eis in den Nordatlantik fließt. Der wärmespendende Golfstrom ist für das Klima in Nordeuropa von großer Bedeutung.

Weil gleichzeitig auch die Niederschlagsmengen zurückgehen, prophezeien die Hamburger Klimaforscher nach der Jahrtausendwende Trockenheit in den östlichen Weizenanbaugebieten der USA. Auch die Mongolei, die Mandschurei, Zentralafrika und das nördliche Südamerika seien im 21.Jahrhundert von Dürrekatastrophen bedroht. Mehr Regen können nach Ansicht der Hamburger Wissenschaftler die westliche USA, Israel, die Arabische Halbinsel und ein breites Band vom Ural bis Südostasien erwarten.

Im Hamburger Forschungszentrum wurden verschiedene Szenarien berechnet. Die Ozeane hätten sich dabei als weitaus größere Energiespeicher erwiesen, als bisher angenommen wurde. Damit erklärt Hasselmann, daß der gemessene Temperaturanstieg bisher nie den Voraussagen der Klimaforscher entsprach.

Hasselmann forderte eine drastische Reduzierung der Abgabe von Treibhausgasen. Eine „Atempause“ für die Menschen könne man aus den Forschungsergebnissen nicht ableiten, sagte Hasselmann am Donnerstag zur Frankfurter Rundschau.

Karin Mayer