: Putsch gegen Inselpremier Robinson
■ Radikale Moslemorganisation putscht in Trinidad & Tobago und verkündet Rücktritt des Premierministers Robinson / Regierung in Geiselhaft / Karibikstaaten in Alarmbereitschaft
Port-of-Spain/Berlin (taz/ips/afp) Wird Trinidad & Tobago, karibische Heimat des Calypso, künftig von radikalen Moslems regiert? Seit Freitag abend halten bewaffnete Angehörige der schwarzen Moslemorganisation Jamaat al-Moslemi den Premierminister Ray Robinson zusammen mit 20 Regierungsmitgliedern im Parlamentsgebäude fest. Die Putschisten befestigten Sprengsätze an ihren Geiseln und kündigten an, sie in die Luft zu jagen, falls die regierungstreue Armee das Parlamentsgebäude zu stürmen versuchen sollte. Daraufhin entwickelte sich ein reger Propagandakrieg zwischen einem regierungstreuen Radiosender und zwei von der Jamaat besetzten Rundfunk- und Fernsehstationen. Jamaat-Führer Jassin Abu Bakr habe um ein Flugzeug nach Libyen gebeten, hieß es zunächst von Regierungsseite, und dieses Gerücht wurde von US-Medien eifrig weiterverbreitet.
Am Sonntag verkündete Jamaat-Sprecher Bilal Abdullah jedoch den Sieg der Putschisten: Robinson habe auf sein Amt verzichtet. Sein Stellvertreter Dookeran werde die Regierungsgeschäfte kommissarisch ausüben; in drei Monaten würden Wahlen stattfinden. Eindeutig gewonnen haben die Putschisten noch nicht. Nach wie vor belagern schußbereite regierungstreue Militärs die Jamaat-besetzten Gebäude. Es kommt zu Schießereien und Plünderungen. Nach Angaben der karibischen Nachrichtenagentur 'Cana‘ gab es bislang 22 Tote, darunter drei der von der Jamaat gehaltenen Geiseln.
Im seit 1962 unabhängigen Trinidad & Tobago hat sich Unzufriedenheit breitgemacht. Das reiche Ölland hatte in den siebziger Jahren einen raschen Aufschwung erlebt. Die damit einhergehende Korruption bescherte Ray Robinson und seiner „Nationalen Allianz für Wiederaufbau“ 1986 einen haushohen Wahlsieg über die seit der Unabhängigkeit regierende „Nationale Volksbewegung“. Mit dem sinkenden Ölpreis verschlechterte sich die Wirtschaftslage: Das Pro-Kopf -Einkommen sank zwischen 1983 und 1988 von 7.558 auf 3.699 US-Dollar. Die registrierte Arbeitslosigkeit hat sich seit 1986 auf 21 Prozent verdoppelt.
Die Jamaat besteht nach eigenen Angaben aus etwa 250 Aktivisten. Sie soll sich unter anderem aus ehemaligen Black -power-Anhängern rekrutieren, die in den 70er Jahren einigen Einfluß im Land ausübten. Die neue Gruppierung machte vor einiger Zeit von sich reden, als sie ein regierungseigenes Grundstück fünf Kilometer vor der Hauptstadt besetzte und eine Kommune mit Moschee, Schule und Supermarkt gründete. Zudem kaufte sie eigenmächtig Medikamente im Ausland, um diese gratis an Krankenhäuser zu verteilen - was die Regierung verhinderte. Im Fernsehen wandte sich Abu Bakr nun gegen einen Regierungsplan, der Anti-Korruptions-Kämpferin Jean Miles ein 500.000 Dollar teures Denkmal zu errichten; dies sei Geldverschwendung. Er erklärte, „der Armut und der Zerstörung Trinidads“ ein Ende bereiten zu wollen, und kündigte die Abschaffung der Mehrwertsteuer sowie die Einführung kostenloser Schulbücher an.
Die Bevölkerung soll vom Sturz der Regierung begeistert sein. Alarmiert reagierten die USA: Die „Gruppe gewalttätiger Extremisten“ sollte sich den Behörden stellen, forderte das Weiße Haus in Washington. In einer an die Vorbereitung der Grenada-Invasion von 1983 erinnernden Aktion versetzten Jamaika und Barbados ihre Streitkräfte in Alarmbereitschaft um, wie es hieß, einen möglichen „Hilferuf“ der Regierung Trinidads erwidern zu können.
D.J.
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