: Oskar Lafontaine: Ich war dagegen
■ Der Kandidat will Recht behalten - um jeden Preis
Der Kanzlerkandidat der SPD, Oskar Lafontaine, hat in einem Interview im Hessischen Rundfunk am Sonntag früh daran erinnert, daß er die schnelle Einführung der D-Mark in der DDR „nach wie vor“ für einen schwerwiegenden Fehler hält. Die DDR-BürgerInnen, die mit ihrem ersten Westgeld über die Westgrenze in den Urlaub gefahren sind und bald nach dem 2.Dezember die sozialpolitische und arbeitsrechtliche Gleichstellung erwarten, werden es mit Interesse hören.
Der Kandidat hat ein bemerkenswertes Geschick entwickelt, alle gegen sich aufzubringen. Auf Lafontaine hatte damals weder die DDR-SPD gehört - sie hatte von seiner Ansicht aus der Zeitung erfahren - noch die Bonner SPD-Fraktion. Lafontaine hatte in demselben 'Spiegel'-Interview einen Wahltermin Dezember 1990 strikt abgelehnt. Inzwischen oder besser: immer noch scheint es so, als wolle Lafontaine am 2.Dezember als Spitzenkandidat seiner Partei antreten.
Ende Juni ließ Lafontaine durch diverse Erklärungen den Eindruck entstehen, er wolle, wenn er schon in der Sache klein beigibt, wenigstens Vorsitzender seiner Partei werden, um in Zukunft die Zügel straff handhaben zu können und nicht noch einmal auf einem Pferd sitzen zu bleiben, hinter das kein Wagen gespannt ist. Weit gefehlt, vertraute Lafontaine nun dem HR an: Er habe nicht den Parteivorsitz der SPD angestrebt. Er sei mit dem Amtsinhaber Jochen Vogel übereingekommen, daß es nicht sinnvoll sei, wenn die SPD wenige Monate vor der Bundestagswahl eine Personaldebatte anfinge.
An seine Aufforderung (per Radio) vom letzten Donnerstag, die DDR-SPD solle raus aus der Koalition, hat Lafontaine am Sonntag früh nicht wieder erinnern mögen. Schlagzeilen dagegen macht er derzeit mit dem Vorschlag, das Grundrecht auf Asyl zu ändern. Polnische EinwandererInnen sind dem SPD -Mann Grund genug dazu, der CDU diesen Ball zuzuspielen.
Es scheint ausgemachtes Ziel des SPD-Kandidaten zu sein, daß er am Ende des Jahres, wenn er schon keine Chance hat, gegen Kohl die Regierungsmacht anvertraut zu bekommen, wenigstens eine 99prozentige Zustimmung zu irgend einer seiner gescheiterten politischen Vorstöße zu erhalten.
K.W.
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