Rassistische Abschreckungspolitik

■ Trotz richterlichen Verbotes wird Asylbewerbern in Bayern Sozialhilfe gekürzt

München (taz) - Eigentlich hat das Bundesverwaltungsgericht bereits vor fünf Jahren entschieden: Die Kürzung der Sozialhilfe bei geduldeten Ausländern und Asylbewerbern ist rechtswidrig. Und sogar der bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in einer Entscheidung vom Dezember vergangenen Jahres nochmals bestätigt: die Regelsatzkürzung um fünfzehn Prozent ist unzulässig. Wer jedoch als Asylbewerber nach Bayern kommt, dem wird weiterhin die Sozialhilfe automatisch gekürzt.

Damit dieser Rechtsbruch nicht sofort auffällt, hat sich die Regierung von Oberbayern einen speziellen Trick ausgedacht. In ihren Richtlinien empfiehlt sie den Behörden einen vorformulierten Text, mit dem die Ablehnung im „Einzelfall“ pauschal begründet wird. „Herr ... und seine Familie stammt(en) aus einem Land, von dem allgemein bekannt ist, daß der durchschnittliche Lebensstandard geringer ist als der in der Bundesrepublik Deutschland. Es wird deshalb davon ausgegangen, daß bei Angehörigen dieses Landes manche Bedürfnisse des täglichen Lebens nicht im gleichen Umfang vorhanden sind wie bei einem deutschen Hilfeempfänger“, heißt es im vorgefertigten Formblatt. „Eine derartige Begründung mutet rassistisch an“, empört sich Werner Simon, Beauftragter für Ausländerarbeit der Evangelischen Kirche in München. Die jedem Asylbewerber zustehende volle Sozialhilfe muß im Einzelfall vor Gericht erst erstritten werden. Doch welcher mittellose, rechts- und sprachunkundige Flüchtling, so fragt sich der evangelische Dekan, steht das durch?

Der Münchner Rechtsanwalt Hubert Heinhold hat inzwischen über 100 Verfahren angeleiert, um den Asylbewerbern zu ihrem Recht zu verhelfen. Wie Don Quichote muß er einen Kampf gegen Windmühlen führen. Denn nicht selten zieht sich das Verfahren derart in die Länge, daß sich der Fall für die Behörden von selbst erledigt. „Der Betreffende ist inzwischen ausgereist, es fehlt somit am Rechtsschutzbedürfnis“, kann dann die bayerische Landesanwaltschaft freudig verkünden. Dieses Vorgehen ist deshalb besonders hinterfotzig, weil einstweilige Verfügungen, die Rechtsanwalt Heinhold zur Aufhebung der Anordnung über die Kürzung der Sozialhilfe einreicht, von der Anwaltschaft mit der Begründung abgeschmettert werden, daß eine Dringlichkeit nicht gegeben und somit eine einstweilige Verfügung gar nicht notwendig sei.

Auch die SPD-regierte Stadt München spielt in diesem Zusammenhang keine besonders rühmliche Rolle. Feig verschanzt sich die beklagte Leiterin des Sozialamts hinter der Regierung von Oberbayern. Da man an die Weisungen des Bezirks gebunden sei, sei es nicht möglich, die rechtswidrige Kürzung der Sozialhilfe abzustellen.

lui