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Unterbelichtete DDR-Modemacher

■ Steiniger Weg von der Mangel- zur Marktwirtschaft / DDR-Designer und Stilisten genießen die neue Freiheit / Sie suchen den Anschluß an den Westen / Ihr Credo: eine klare, anspruchsvolle Mode, unterkühlt, extravagant und keinesfalls verspielt

Aus Paris Christa Barth

Die DDR-Modemacher suchen den Anschluß an den Westen. Nach vierzig Jahren realsozialistischer Mangelwirtschaft und Gängelei träumen sie davon, nach der Öffnung der Grenzen ihrer Phantasie freien Lauf zu lassen, „kreativ im besten Sinne“ zu werden, erklärt Angelika Mühling, eine 33jährige freischaffende Designerin aus Ost-Berlin. Nur langsam macht sich die neue Konkurrenz aus dem Osten in der hartumkämpften Branche einen Namen. DDR-Stilisten gelten noch als Geheimtip bei Fachschauen wie der Berliner Off-line oder der Münchner Avantgarde. Das französische Magazin 'Jardin des Modes‘ stellte in seiner Juli/August-Nummer erstmals Entwürfe dreier Ost-Designerinnen vor. Eine Gruppe um Angelika Mühling, Silvia Heise und Petra Skupin, beide 31 Jahre alt, konnte bei einem Modefestival in der Bretagne ihre Kreationen neben Modellen von Dior, Ricci oder Kenzo über den Laufsteg schicken.

In der Vergangenheit kannten sie westliche Modetrends nur aus Zeitschriften in der Bibliothek des Modeinstituts der DDR oder von Video-Mitschnitten, die „Reisekader“ von Messen in Paris oder Mailand mitbrachten. Jetzt genießen sie die neue Freiheit, diese Mode „anfassen, in den Auslagen der Boutiquen oder auf der Straße erleben zu können“, schildern Petra Skupin und Silvia Heise die Eindrücke ihres ersten Frankreichbesuchs. Sie entwarfen bisher Kollektionen für den DDR-Markt, die über das Netz der Exquisit-Läden in extrem kleinen Stückzahlen einer konservativen Kundschaft teuer angeboten wurden. 50 bis 60 Prozent des verarbeiteten Materials mußte gegen Devisen aus der Bundesrepublik, Frankreich oder Italien, Seide auch aus China importiert werden. Entsprechend sparsam ging man damit um. „Was Mode ist, bestimmte der Staat, der Plan war wichtiger als das Erzeugnis“, resümiert Silvia Heise. Es gab keine Konkurrenz, keinen Kampf um Ladenflächen und Kunden. Ladenhüter ließen sich noch nach Jahren problemlos in der Provinz absetzen. Angelika Mühling, die wie ihre Kolleginnen fünf Jahre lang an der Kunsthochschule in Berlin-Weißensee studiert hat, experimentiert vorrangig mit Seiden und Leinen, „puristisch, romantisch, jung, gewickelt und in Konstruktionen umgesetzt“. Ihre wie Petra Skupins Entwürfe sind japanisch beeinflußt, vor allem von Yamamoto Kansei und Isseye Miyake. Unsicherheit herrscht auch darüber, ob das inzwischen zur Alpha AG umgewandelte Exquisit-Unternehmen weiterbestehen wird. Am Modeinstitut der DDR, wo in der Vergangenheit an der „Analyse von Trendentwicklungen“ gearbeitet wurde, ohne sie industriell umzusetzen, sind 300 von insgesamt 400 Mitarbeitern bereits entlassen worden. In der DDR selbst fehle es noch an Modeappetit und Modemut, klagen die Jungdesigner. Unter den Konsumwünschen der Bevölkerung haben nach der Währungsumstellung das neue Auto oder Reisen Vorrang.

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