Der TÜV geht nach Osten

■ Die Warteschlangen vor der Ostberliner KFZ-Zulassungsstelle gehören der Vergangenheit an / Joint-venture zwischen DDR-Amt und TÜV Rheinland

Ost-Berlin. Viele Ostberliner wollen einen Westwagen und das beinahe um jeden Preis, und ohne immer so genau auf den technischen Zustand zu achten. So wurden allein seit Jahresbeginn über 360 aus dem Westen eingeführte PKW von der Ostberliner Verkehrspolizei nicht zugelassen. Der Grund: Erhebliche technische Mängel. Oder anders ausgedrückt, so mancher arglose Ossi hat sich für seine harte D-Mark einen Haufen Schrott andrehen lassen.

Technisch überprüft wurden die „importierten Gebrauchtwagen“ in Ost-Berlin bisher von einer einzigen Institution, der „Technischen Prüfstelle des Präsidiums der Volkspolizei“ in Lichtenberg. Jedes in Ost-Berlin neu zuzulassende Auto mußte dort vorgeführt werden, auch die eigenen Fabrikate. Während bis zum 9. November vergangenen Jahres die Höhe der Anträge relativ stabil blieb, waren die Beamten spätestens seit der Währungsunion dem Ansturm nicht mehr gewachsen. 40.500 Neuzulassungen waren seit November bis heute in Berlin zu verzeichnen, darunter lediglich zehn Prozent Ostfabrikate.

In den letzten Wochen spielten sich vor dem Gelände in der Tasdorfer Straße geradezu herzzerreißende Szenen ab. Stolze Opel-Besitzer, die ihren neu erworbenen Liebling mit einer „I„-Nummer versehen lassen wollten, machten sich mit eingepackten Stullen und Tee in der Thermoskanne schon am Abend vorher auf den Weg zum Übernachteten vor Ort - nur um sicherzugehen, am nächsten Tag das neue Nummernschild mit nach Hause nehmen zu können.

Dies Leid soll nun ein Ende haben. In Friedrichshagen (Bezirk Köpenick) wurde gestern vormittag mit großem Bahnhof die erste nach westlichem Standard errichtete KFZ-Prüfstelle der DDR eingeweiht. Zustande gekommen war das Projekt in Zusammenarbeit des „Amtes für Standardisierung, Meßwesen und Warenprüfung der DDR“ (ASMW) mit dem TÜV Rheinland. Endlich, so ASMW-Präsident Dr. Volkhard Lößner, haben nun auch die DDR-Autofahrer die Möglichkeit, den Sicherheitsstandard ihrer Autos auf freiwilliger Basis überprüfen zu lassen. Die Eröffnung dieser Musterprüfstation könne jedoch nur ein erster Schritt sein. Wenn voraussichtlich am 1. Oktober dieses Jahres die allgemeine KFZ-Prüfpflicht eingeführt werde, müsse bereits ein ganzes Netz solcher Stationen im Land entstanden sein. Das ASMW, so Lößner weiter, bereite zusammen mit dem TÜV Rheinland die Gründung einer TÜV-Ost Holding GmbH vor.

Auf dem Gelände am Müggelseedamm ist auch die KFZ -Zulassungsstelle der Volkspolizei vertreten. Standen den Beamten bis dato in der Tasdorfer Straße nur bescheidene technische Hilfmittel zur Verfügung, so können sie nun auf neueste westliche Elektronik zurückgreifen. Und die stolzen Besitzer eines „neuen“ Gebrauchtwagens aus dem Westen können den Schlafsack getrost zu Hause lassen.

Olaf Kampmann