: Fünfprozentklausel in Variationen
■ Beim Huckepackverfahren steckt der Teufel im Detail: Gibt es eine Lex CSU/DSU?
Hamburg/Berlin (dpa/taz) - Der Entwurf eines deutsch -deutschen Wahlvertrags sieht drei Varianten vor, nach denen die ersten gesamtdeutschen Wahlen ablaufen könnten:
-Die Fünfprozentklausel gilt jeweils in den 16 Ländern (Befürworter ist vor allem die CDU): Diese Lösung wäre eine sichere Eintrittskarte für die Kleinen. Danach würden alle Parteien und Bündnisse ins Parlament einziehen, die in mindestens einem Land die Fünfprozenthürde überspringen. Legt man die Ergebnisse der Volkskammerwahl zugrunde, könnte sich die DSU ihr Parlamentsticket in Sachsen holen. Die PDS lag in allen - damals noch nicht geschaffenen - fünf DDR -Ländern satt über fünf Prozent. Das Bündnis 90 erreichte in Ost-Berlin 6,3 Prozent.
Die Nachteile dieser Lösung: Ungerechtigkeiten wegen der verschiedenen Ländergrößen und den damit erforderlichen unterschiedlichen Stimmenzahlen sowie die Möglichkeit für die „Republikaner“, in das Parlament einzuziehen.
-Das Huckepackverfahren mit einer einheitlichen Fünfprozenthürde für das gesamte Wahlgebiet (Befürworter sind SPD und Liberale): Auch diese Lösung berücksichtigt die Interessen der kleinen Gruppen. Für diese Variante müßte aber das Wahlgesetz geändert werden, da bislang selbständige Parteien nicht gemeinsam zur Wahl antreten können. In diesem Fall könnten Kandidaten der CSU, DSU, der Grünen sowie der DDR-Bürgerrechtsbewegungen auf aussichtsreichen Listenplätzen großer Parteien zur Wahl antreten.
Der Teufel steckt hier allerdings im Detail. Entscheidend ist, ob Parteien, die im gleichen Wahlgebiet bestehen, eine Listenverbindung eingehen können, oder nur Parteien, die in unterschiedlichen Gebieten existieren - eine derzeit noch offene Frage. Die letztgenannte Variante kann man getrost als Lex CSU/DSU bezeichnen, da beide jeweils nur in Bayern bzw. in der DDR antreten. Anders für die Grünen (Ost) und die Bürgerbewegungen, die beide in der DDR präsent sind. Selbst bei einer vorherigen grün-grünen Fusion gäbe es in diesem Falle Probleme mit einer Listenverbindung mit den Bürgerbewegungen, es sei denn, die BürgerrechtlerInnen kandidierten von vornherein auf den Listen der Grünen. Ein anderes Problem: Sollten beispielsweise das Neue Forum in Mecklenburg und die Grünen/Demokratie Jetzt bei den Landtagswahlen getrennt kandidieren, ist fraglich, ob die Landeswahlleitung dann bei den gesamtdeutschen Wahlen einer entsprechende Listenverbindung ihr Plazet geben wird.
Berücksichtigt die neue Regelung dagegen die jetzige Rechtslage in der DDR für die Landtagswahlen, sehen die Dinge anders aus: danach können Parteien oder Vereinigungen Listenverbindungen eingehen, auch wenn sie im gleichen Gebiet bestehen. Dies gilt dann allerdings, wie schon bei der Volkskammerwahl, für das gesamte Wahlgebiet, d.h. eine Partei oder Vereinigung, die eine solche Verbindung eingegangen ist, kann dann nicht in einer Region mit einer eigenständigen Liste antreten.
Als Nachteil des Huckepackverfahrens gilt, daß die größeren bundesdeutschen Parteien sich ihre Partner in der DDR aussuchen und damit einzelne außen vor bleiben können. Davon betroffen ist in erster Linie die PDS.
-Getrennte Fünfprozentklausel (kaum noch Befürworter): Die DDR und die Bundesrepublik bleiben praktisch zwei Wahlgebiete. Die Fünfprozenthürde muß nur jeweils dort genommen werden. Dabei haben vor allem die großen unter den kleinen Parteien Chancen, Abgeordnete in das gesamtdeutsche Parlament zu bringen. Das Bündnis 90 etwa wäre nicht vertreten, die PDS (Volkskammerwahl insgesamt 16,4 Prozent) käme sicher hinein. Weiterer Nachteil: Für einen Sitz im gesamtdeutschen Parlament sind in der Bundesrepublik wegen der höheren Bevölkerungszahl mehr Stimmen erforderlich als in der DDR.
b.s.
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