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Betreuungsort: Wohnheim

■ Sozialbehörde und Wohlfahrtsverbände erfinden Betreuung von Asylanten

Rund 90 SozialarbeiterInnen wurden auf Kosten des Senats bei den Freien Wohlfahrtsverbänden eingestellt, um die bis zu 4.000 Aus- und ÜbersiedlerInnen in Bremer Übergangswohnheimen und anderen Unterbringungen zu betreuen. Sie können sich jetzt berechtigte Hoffnung auf eine Weiterbeschäftigung machen, auch wenn ihr Klientel die Unterkünfte verläßt. Zukünftig sollen sie sich um Asylbewerber kümmern, die bis jetzt ohne Betreuung für viel Geld in Pensionen und Hotels untergebracht sind. Eine entsprechende Vereinbarung haben die Sozialbehörde und die Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtsverbände am Dienstag unterschrieben.

Als im letzten Jahr Ströme von Aus- und ÜbersiedlerInnen nach Bremen kamen, hatte der Senat mit den freien Wohlfahrtsverbänden ihre Unterbringung und Betreuung vereinbart. Dafür bezahlte die Sozialbehörde ihnen 2,5

Stellen pro hundert betreuter Menschen.

In der Erwartung, daß die Aus- und Übersiedlerströme verebben und die Neuankömmlinge in andere Wohnungen umziehen würden, überlegte sich die Sozialbehörde einen Deal: die Wohlfahrtsverbände dürfen die Stellen behalten, wenn sie dafür in Zukunft Asylbewerber und Asylanten aufnehmen und betreuen.

Die Vereinbarung legt fest, daß alle ZuwanderInnen unabhängig ihrer Nationalität aufgenommen werden sollen. Die ZuwanderInnen werden nach ihrer Sprache und Religion „sortiert“, um unnötige Belastungen durch unterschiedliche Herkunft zu vermeiden. Auch für die Kinderbetreuung soll gesorgt werden.

Klaus Pietsch, Geschäftsführer des Deutschen Roten Kreuzes in Bremen, sieht der neuen Aufgabe mit gemischten Gefühlen entgegen. Zwar freut er sich, daß zum ersten Mal eine soziale Be

treuung für Asylbewerber und Asylanten vorgesehen ist, hatte aber andere Vorstellungen: „Wenn wir schon die Verantwortung übernehmen, dann müssen die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Arbeit auch gegeben sein“. Und die wäre seiner Meinung nach ein Stellenschlüssel von mindestens 3,5 BetreuerInnen auf hundert Asylanten, plus Koordinationsstelle, plus LehrerIn für den Sprachunterricht. Die Sozialbehörde hingegen redet sich damit heraus, daß die Wohlfahrtsverbände ja Schwerpunkte setzen könnten: indem sie weniger problematische Gruppen weniger, und problematischere Gruppen mehr betreuen.

Edith König, bei der Arbeiterwohlfahrt zuständig für die Übergangswohnheime, weiß von der neuen Vereinbarung noch gar nichts. Alle ihre Häuser sind noch voll mit Aus- und ÜbersiedlerInnen belegt. „Das, was wir hier noch haben, sind schwierige

Menschen, die keine Arbeit finden. Alkoholprobleme sind verbreitet. Es ist nicht absehbar, daß die woanders untergebracht werden können.“

Auch Dagmar Lill von der Zentralstelle für ZuwanderInnen sieht Vorteile in der neuen Regelung. Es komme aber darauf an, die unterschiedlichen Bedürfnisse der AsylantInnen zu berücksichtigen: Familien in Sammel unterkünften unterzubringen, findet sie „sinnlos“. Alleinstehende hingegen leiden unter der Vereinzelung in Hotels und Pensionen und möchten lieber gemeinsam untergebracht sein.

Noch ist genug Zeit für Planungen und Überlegungen: Rund 3.000 Aus- und übersiedlerInnen werden zur Zeit noch in Übergangswohnheimen betreut, und monatlich sind 350 „Neuzugänge“ zu verzeichnen. Wann Platz für Asylanten sein wird, kann noch niemand sagen. Beate Ram

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