... Deutscher werden dagegen sehr

■ Wer seinen türkischen mit dem deutschen Paß vertauschen will, muß das Unmögliche hinkriegen

Wie schwer es ist, ein guter Deutscher zu sein, merkt einer erst, wenn er keiner ist, sondern erst noch einer werden will. Nejat O. ist so einer.

Nejat O. hat einen türkischen Vater und eine deutsche Mutter, er ist in Istanbul aufgewachsen und in einem deutschsprachigen Internat erzogen worden, er spricht perfekt deutsch und außerdem perfekt türkisch. Nur ob er Türke oder Deutscher ist, entscheidet nicht Nejat O., sondern ein sogenanntes RuStAG, das „Reichs- und Staatsangehörig

keitsgesetz“. Und das sagt unzweideutig: Wer in der Türkei ehelich von einem Türken gezeugt wurde, ist auch dann ein Türke, wenn er sich subjektiv als Deutscher vorkommt.

Seit nunmehr zweieinhalb Jahren versucht der inzwischen 27jährige Nejat O., seine privaten Nationalitäts -Zugehörigkeitsgefühle und die internationale Gesetzgebung unter einen Hut zu bringen. Bislang vergebens. Der Bundesinnenminister und die Bremer Ausländerpolizei verlangen von Nejat O. das schlechter

dings Unmögliche, bevor sie ihn im Kreis von 76 Millionen Deutschen gnädig aufzunehmen bereit sind.

Seit 2 1/2 Jahren lebt Nejat O. in Bremen. Genauso lange läuft ein Antrag auf Einbürgerung, den O. bei der Landesregierung Hannover gestellt hat. Entschieden ist bis heute nicht über den Antrag. Immerhin: Nach einjähriger Bearbeitungsdauer informierte die Hannoveraner Einbürgerungsbehörde O. in einem Zwischenbescheid, es bestünden noch „Zweifel an seiner freiwilligen und dau

ernden Hinwendung zu Deutschland“. Vorschlag der Behörde: O. solle erst mal zwei weitere Jahre in der Bundesrepublik leben, Ende 1991 könne man dann erneut über die Angelegenheit reden.

O. war einverstanden. Nicht aber die Bremer Ausländerpolizei. Am 8. Januar 1990 beantragte O. unter Hinweis auf die ihm verordnete zweijährige Bewährungsfrist als Deutscher eine entsprechende Verländerung seiner Aufenthaltsgenehmigung. Antwort der Behörde am 10. Juni, nach fünfmonatiger Bearbeitung: „Wir beabsichtigen erstens, Ihren Antrag abzulehnen, zweitens sie zur Ausreise aufzufordern, drittens Ihre Abschiebung anzudrohen und festzusetzen und viertens die sofortige Vollziehung der Androhung und Festsetzung der Abschiebung anzuordnen“.

Für Nejat O. stellt sich seither die unlösbare Frage, wie er den deutschen Behörden ausgerechnet in der Türkei die geforderte „freiwillige und dauerhafte Hinwendung zum Deutschtum“ beweisen soll. O: „In der Türkei

müßte ich als erstes meinen Militärdienst antreten. Ich fürchte, die deutschen Behörden würden es nicht gerade als Nachweis meiner deutscher Gesinnung auslegen, wenn ich jetzt lerne, die Türkei zu verteidigen.“ Mit seinen Befürchtungen liegt O. offensichtlich richtig. Der zuständige Dezernent der Hannoveraner Einbürgerungsbehörde, Andras Globe, gestern auf Nachfrage: „Wenn Herr O. noch zwei Jahre in Deutschland lebt, sehe ich durchaus gute Chancen für seinen Einbürgerungsantrag. Falls er in die Türkei zurückkehrt, bleibt uns aber gar nichts anderes übrig, als den Antrag abzulehnen.“.

Bei der Bremer Ausländerpolizei ist man da anderer Meinung: Nejat O. könne sein Einbürgerungsbegehren durchaus auch aus der Türkei weiterbetreiben und dort seine dauerhafte Hinwendung zu Deutschland demonstrieren. Wie? Ein zuständiger Beamter nach einigem Überlegen: „Na, z.B. durch überdurchschnittlich häufige Besuche im Goethe-Institut.“

K.S.