: Giftgas-Verdacht in Thüringen
■ In Thüringer Dörfern beunruhigen eigentümliche Krankheitssymptome die Bevölkerung
Berlin (taz/dpa) - Schluckbeschwerden, Hautausschläge und Muskelkrämpfe bei außergewöhnlich vielen Bewohnern der thüringischen Dörfer Hainspitz, Klengel und Serba haben den Verdacht auf ein Giftgaslager entstehen lassen. Nahe dem Hermsdorfer Kreuz litten etliche Menschen an vereiterten Stirnhöhlen oder auch starken Kopf- oder Bauchschmerzen, berichtete die Erfurter 'Tagespost‘. Ein Militärarzt des Bezirkshygieneamts habe die Symptome vor einiger Zeit als Phosphorsäure-Ester-Vergiftung diagnostiziert, wie sie von Kampfgasen hervorgerufen wird. Die Jenaer „Untersuchungskommission zur Aufklärung von Stasi-Objekten“ erreichte, daß Ende vergangener Woche der Chef des chemischen Dienstes im Ministerium für Abrüstung und Verteidigung, Rolf Büttner, das Mitglied des Bundestags -Umweltausschusses, Klaus Kübler, sowie die Volkskammerabgeordnete Christine Rudolph eine Ortsbesichtigung vornahmen. Im Zentrum der Untersuchungen stehe das „Kombinat industrielle Mast“, das im Berliner Computer des früheren Ministerium für Staatssicherheit als militärischenes Objekt unter dem Kürzel „KiM“ auftauche. Manipulationen am zentralen EDV-System hätten den Zugriff auf beweisfähige Akten verhindert, die noch existieren. Zur Erklärung, woher die Giftquellen stammen könnten, gibt es nach Auskunft von 'Tagespost'-Mitarbeiter Jochen Sommer bislang drei Hypothesen. Die erste Möglichkeit wäre ein sowjetisches Giftgaslager. In westlicher militärischer Fachliteratur gab es nach Informationen der Zeitung schon 1981 Hinweise auf ein solches Lager in diesem Teil Thüringens. Zweitens käme die geheime Beseitigung von Kampfgasen aus dem 2. Weltkrieg in Frage. Daß Giftgase im Spiel sind, darauf deutet ein Kaninchensterben im Klengeler Forst während der Jahre '89 und '90 hin. Die USA zum Beispiel verwenden die empfindlichen Kaninchen, um Giftgasaustritte zu überprüfen. Als dritte Möglichkeit schließlich könne nicht ausgeschlossen werden, daß ein Unfall mit dem Pflanzengift DDT 1972 Ursache der Krankheitssymptome ist.
asw
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