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Besuch der alten Dame

■ Die „Rundschau“ ist wieder da und kommt täglich auf ein Schwätzchen vorbei

Nun ist sie also wieder da, die alte Tante „Rundschau“. Da, wo sie alle schon immer wieder hin haben wollten. Zur besten Kaffee- und Törtchenzeit steht sie gewohnt überfallartig auf allen Radio-Bremen-Eins-Türmatten in der Nachbarschaft und muß mal eben das Neuste loswerden und ganz nebenbei ihr neues Ausverkaufs-Kostüm vorführen. Und platsch, da sitzt sie auch schon in der guten Stube mitten auf der Klappcouch: „Also, wußten Sie schon, Frau Meyerdierks? Nein? Also, mit dem Hundedreck wird das ja immer schlimmer. Zwei Tonnen täglich, allein in Bremerhaven. Übrigens ausgezeichnet, Ihre Sahne-Baisers.“

Hundedreck ist nämlich das neue Lieblingsthema von Frau Rundschau, muß Frau Meyerdierks wissen, da kann sie sich in einer Stunde gleich zweimal drüber aufregen, weil es doch, huch, so schön schlüpfrig ist und man ja auch „modern“ ist und sowas in den Mund nimmt, ohne knallrot zu werden. Hach, und dann unser armer Innensenator, dem so hergelaufenes Volk jetzt seine Zelte direkt vor die Amtsnase gebaut hat. „Nein, in dessen Haut möchte ich wirklich nicht stecken“, sagt Frau Rundschau und legt ihre Stimme in Dackelfalten, daß das Mitgefühl mit dem Minister in die Kaffeesahne tropft.

„Apropos“ Kaffeesahne, sagt Frau Rundschau und betont dabei das „S“, weil sie „apropoß“ einfach schicker findet als „apropo“, seit sie im Senioren-Sanatorium „Jungborn“ ein Jahr lang die Hüften und den Hals „geliftet“ gekriegt hat: „Apropoß, keine Schwarzwälder mehr, in unserem Alter muß man ja doch schon ein bißchen auf die Linie achten.“ Und dann wartet sie, daß Frau Meyerdierks sagt: „Aber Sie doch nicht!“ Und wartet vergeblich und kruscht solange unter Frau Meyerdierks neuem Phono-Turm rum, bis ihr „Unvergängliche Melodien der 60er“ in die Hände fallen, die sie gleich mal auflegen muß, weil man doch noch mal richtig jung wird, wenn Fernando, Alfredo und Jose „seich ßo nach därr kroßen Wäld sähnen“. Und Frau Rundschau sähnt sich mit, und ihre Stimme stolpert errötend lispelnd noch mehr über alle spitzen Steine ihrer Erinnerung an Niels, was ihr Kurschatten war. Aber das geht natürlich auch Frau Meyerdierks nichts an. Die muß dafür unbedingt wissen, daß Frau Rundschau aber doch stolz ist auf den Innensenator, weil er bei diesen Roma nicht auf „das übliche Betroffenheitsgequake“ reingefallen ist, obwohl Frau Rundschau, wie gesagt, nicht mit ihm tauschen will, auch nicht, wenn Frau Meyerdierks Plattensammlung inzwischen über die Form eines männlichen Hinterteils Auskunft gibt und Frau Rundschau das mit kokettem Augenaufschlag quittiert.

Da muß sie doch noch eben loswerden, wie „furchtbar“ es am Rembertiring immer aussieht, die ganzen Penner und Plastiktüten, und daß das die Nachbarin auch findet und die FDP auch und sogar dieser aus Leipzig Zugereiste.

Es war wieder ganz reizend bei Ihnen, sagt Frau Rundschau und geht endlich und verspricht. „bestimmt wiederzukommen“: „Morgen schon“

K.S.

ab sofort wieder täglich 16.05 Uhr auf RB 1

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