Jahrgänge 1963-69: Was nun?

■ Die Wehrpflicht für Westberliner rückt näher: Noch ist unklar, ob die rund 50.000 Wehrflüchtlinge West-Berlins zum Bund müssen / Eine mögliche Härtefallregelung wäre Sache des Senats

West-Berlin. „Weiße Jahrgänge“ für West-Berlin? Während klar ist, daß in West-Berlin in absehbarer Zeit die Wehrpflicht gelten wird, ist weiterhin um so unklarer, ob es für die rund 50.000 Wehrflüchtlinge aus dem Bundesgebiet „Übergangsregelungen“ geben wird. Diejenigen, die den alliierten entmilitarisierten Status nutzten, um sich Wehr oder Ersatzdiensten zu entziehen, könnten nach dem Fall der alliierten Vorbehaltsrechte ihre Einberufung erhalten - wenn sich der Senat nicht für Ausnahmeregelungen einsetzt, die „persönliche Härten“ abwenden. „Vertrauensschutz hinsichtlich der bisherigen Lebensplanung“, wurde dies im März in einer Antwort des Verteidigungsministeriums auf eine parlamentarische Anfrage genannt.

Betroffen sind insbesondere die Jahrgänge 1963 bis 1969 sie liegen noch unter der Altersgrenze von 28 Jahren. Hier geht die Hardthöhe von einem theoretischen Zuwachs von rund 40.000 „Einberufbaren“ aus. Soweit bekannt ist, plant das Bundesverteidigungsministerium bislang keine „Übergangsregelungen“. Sie werden, so ein Sprecher, nur „diskutiert“ und sind für die Hardthöhe „keine grundlegende Sache“. Geht es nach dem Ministerium, dann wird die bundesdeutsche Wehrgesetzgebung Teil des „Überleitungsgesetzes“ sein, das alle bisher wegen der alliierten Vorbehalte nicht in West-Berlin geltenden Bundesgesetze auf die Ex-Halbstadt übertragen wird. Dann würde die Wehrgesetzgebung voll in West-Berlin gelten ohne Ausnahmen für Wehrflüchtlinge. Ob es noch zu Härtefallregelungen kommt, wird also der politischen Einflußnahme des rot-grünen Senats obliegen. Er kann solche Regelungen aber nicht erzwingen, weil die Wehrgesetzgebung nicht in seine Zuständigkeit fällt. Eile ist geboten, denn das „Überleitungsgesetz“ soll zusammen mit dem Einigungsstaatsvertrag in Kraft treten - und das wird recht bald sein. Aus informierten Kreisen verlautete, der Senat wolle sich für Härtefallregelungen einsetzen.

Weiter unklar ist auch, ob zunächst in Ost- und West-Berlin noch die unterschiedlichen Wehrgesetze von DDR und BRD gelten werden - oder ob das bundesdeutsche Recht für beide Hälften in Kraft tritt. Das gleiche Problem besteht beim Zivildienst. Unwahrscheinlich ist, daß West-Berlin das liberale Zivildienstgesetz der DDR übernimmt. Senatskreise deuteten jedoch an, daß sich West-Berlin an der DDR -Praxis orientieren könnte. Dies würde freie Wahl zwischen Wehr- und Ersatzdienst ohne Gewissenstest bedeuten.

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