Der Trend geht zum Seniorensex

■ Die erste hauseigene RTL-Serie entsteht zur Zeit am Wörthersee / Comeback für Omas Liebling Roy Black / Schauspieler, Regisseur und Kameramann sind erprobt in Schnulzen und Sexfilmen der 60er

Von Harald Keller

Ab Oktober macht RTL plus Ernst mit dem Spaß. Zu den geistesverwandten Sledge und Mike Hammer, zu den C.O.P.S. und CHIPs, zu Michael Knight und Knight & Daye wie zum vielköpfigen außerirdischen Serienpersonal gesellen sich Hotelerbe Lennie Berger (Roy Black), sein Gegenspieler Rainer Jansen (Manfred Lehmann), die Hoteldirektrice Anja (Andrea Heuer), Aschenputtel Ida (Julia Biedermann) und etliche andere Figuren, die sich - das ist ja das Schöne an einer Hotelserie - nach Belieben ein- und auswechseln lassen. Darum gehört es von vornherein zum Prinzip von Ein Schloß am Wörthersee, in jeder Folge ein paar Prominente auftreten zu lassen. Von Georg Thomalla über Peter Kraus bis hin zu Drafi Deutscher reicht das Gaststaraufgebot.

Ein Schloß am Wörthersee ist der erste von RTL plus selbst entwickelte und hergestellte Mehrteiler. Weitere Projekte sind bereits in Arbeit. Schon jetzt schüren die Kölner Privatsender die Erwartungen des TV-Publikums, um ihrem Produkt hohe Einschaltquoten zu sichern. Zehn Folgen sind zunächst geplant; bei erfolgreichem Einsatz im RTL -Programm wird in nahtlosem Anschluß weiterproduziert.

Vor allen Dingen

lustig

Es soll, so wünschte sich RTL-Programmdirektor Thoma laut Presseinfo, „vor allen Dingen lustig“ zugehen in den Episoden um das alte Schloßhotel am Wörthersee und seine Bewohner. Der in der vorletzten Ecke Österreichs gelegene See, wo all jene herumlungern, die es bis Ibiza noch nicht oder nicht mehr schaffen, bildet die natürliche Kulisse für Geschichten mit „einer Fülle lustiger Anekdoten und heiterer Situationskomik“. Gefertigt werden diese Humorsonderrationen nach dem Strickmuster der Schlagerfilme mit und um Roy Black aus den frühen siebziger Jahren, die in den letzten Monaten im RTL-Programm mit immensem Erfolg wiederholt worden sind. Das dramaturgische Konzept dieser Sonnenscheinstreifen ist mit „Black & Beautiful“ (Roy und hübsche Mädels in romantischer Umgebung) bereits ausreichend umrissen. Federführend in diesem Genre, in dem der beerdigt geglaubte Geist des Operettenfilms der fünfziger Jahre unfrohe Auferstehung feierte, war die Müncher „Lisa-Film“ des Produzenten Karl Spiehs, die von RTL auch mit der Herstellung der Hotelier-Saga beauftragt wurde.

Spiehs hat am Wörthersee schon beinahe Hausrecht, so häufig ist er dort mit seinen Aufnahmeteams zu Gast. Wer ein paar Spiehs-Produktionen kennt, wird so manchen Drehort in Ein Schloß am Wörthersee wiedererkennen. Spiehs zufolge ist die Landschaft rund um den See auch noch längst nicht ausgereizt, denn „es werden immer wieder Häuser umgebaut“. Und: „Wir drehen ja nicht nur am Wörthersee, sondern wir drehen am Altasee, wir drehen auf Hochosterwitz, wir drehen in Klagenfurt, es sind also auch Berge drinnen“ - die natürlich auch schon reichlich abgelichtet worden sind...

Das OEuvre eines Sexfilmers und anderer Dilettanten

Mit Roy Black, Ralf Wolter, Georg Thomalla oder Gunther Philipp stehen zahlreiche bewährte Spiehs-Gesellen im Scheinwerferlicht, auch die Namen der Akteure hinter der Kamera sind einschlägig bekannt. Als Regisseur beispielsweise betätigt sich Franz Josef Gottlieb, der die deutsche Filmgeschichte bereicherte um unsterbliche Werke wie Wenn die tollen Tanten kommen, Liebesspiele junger Mädchen oder Hurra, die Schwedinnen sind da. An Karl May-Verfilmungen hat sich der schon seit 1960 inszenierende Gottlieb ebenso versucht wie an Edgar Wallace-Adaptionen, Kolle-Filmen und Horrorstreifen. Wenn sich denn die Filmkritik mit seinen Arbeiten beschäftigte, so hagelte es meist Kommentare wie: „eine absolut stümperhafte Regie“ (der Filmdienst über Lady Dracula aus dem Jahre 1975) oder: „belanglose Blödelklamotte“ (Zoom 1987 über Zärtliche Chaoten). Mehr als einmal wurde dem heute 60jährigen Schlamperei und Dilettantismus bescheinigt; seinem Erfolg an den Kinokassen tat dies indes keinen Abbruch.

Gottliebs Kameramann bei den Dreharbeiten ist sein alter Weggefährte Franz X. Lederle, der bereits das Weitwinkel führte bei Licht- und Lustspielen wie Manche mögen's prall oder Zärtlich, aber frech wie Oskar. Bei letzterem hatte Erich Tomek die Produktionsleitung inne, dessen Name ansonsten zu finden ist in den Credits von C -Filmen wie Die nackten Superhexen vom Rio Amore oder Die schönen Wilden von Ibiza. Für Ein Schloß am Wörthersee betätigt sich der Flachfilmroutinier wiederum als Produktionsleiter und auch als Drehbuchautor, wobei er nach den Worten Karl Spiehs‘ auf Restbestände bislang nicht realisierter Ideen zurückgreifen kann. Die waren „zu dünn für anderthalb Stunden, aber für eine Stunde oder fünfzig Minuten langen die Geschichten allemal“, erzählt der Münchner Erfolgsproduzennt, offensichtlich zufrieden darüber, das Altmaterial noch recyceln zu können.

Bei der Produktionsleitung steht Tomek der Exkellner, Gelegenheitsschauspieler und Aushilfsregisseur Otto W. Retzer zur Seite. Ihm verdanken bundesdeutsche Bahnhofskinos Knüller wie Babystrich im Sperrbezirk, Bei Anruf Liebe oder Her mit den kleinen Schweinchen.

Die Filmographien der Mitarbeiter lassen schon Rückschlüsse zu auf die zu erwartende Humorqualität. Schlimmste Befürchtungen wurden bei einem Besuch der Dreharbeiten bestätigt, als stolz von einem „Gag“ berichtet wurde, der spontan für den auch als Schauspieler mitwirkenden Retzer eingefügt worden sei: Der „Kojak vom Wörthersee“ muß sich in dieser Szene von einem Vogel auf den markanten Kahlkopf scheißen lassen. Was haben wir gelacht...

Roy Blacks Wechsel

ins schwere Fach

Da kann man den Hauptdarsteller Roy Black nur bedauern, der die vor etwa zwanzig Jahren mit dem Abflauen der Schlagerfilmwelle unterbrochene Schauspielkarriere gern fortsetzen möchte und die Verpflichtung für RTLs Tour de Farce als Neuanfang begreift. Vor einer erneuten Festlegung auf die Rolle des „Sonnyboys“ hat er dabei keine Angst; er, der immerhin eine schauspielerische Ausbildung genossen hgat, betrachtet diese Aufgabe als „Fingerübung“ und wünscht sich, „daß möglichst später von den schauspielerischen Anforderungen her schwere Dinge dazukommen. Das würde ich nur begrüßen...“ Gern würde er einmal, wie H.C.Blumenberg es mit seinem Kollegen Peter Kraus vorgemacht hat, gegen das Klischee besetzt werden. „Den verbalen, psychologischen Bösewicht - den zu spielen könnte ich mir vorstellen. Aber nicht den Kraftmeier, weil ich das nicht bin.“

Hoffentlich gibt ihm jemand die Chance. Ansonsten drohen uns Schloßhotel-Folgen ohne Ende und weitere Platten des Sängers. Und das muß ja nicht sein.

Harald Keller