Basis-Initiative weist Funktionären den Weg

■ Empfehlung des Bürgerbündnisses für die gesamtdeutschen Wahlen: Erweiterung des Bündnis 90 um Grüne und Frauenverband sowie Listenverbindung mit den West-Grünen / Antje Vollmer bot zusätzlich Listenplätze im Westen an

Aus Berlin Beate Seel

Die Sonne brannte, die Basis flüchtete zu den Sternen: Im Ostberliner Zeiss-Planetarium hatten sich am Sonnabend rund 100 Mitglieder von Bürgerbewegungen und der Grünen Partei zusammengefunden, um den zähen Verhandlungen um ein breites Bündnis zu den gesamtdeutschen Wahlen einen zusätzlichen Anschub von unten zu geben. Doch guter Wille allein, die Sache zu beschleunigten, tat's nicht: Erst nach einer fünfstündigen Debatte, zahlreichen Verfahrensanträgen und langwierigen Abstimmungsprozeduren war das Votum der Versammlung im Hinblick auf die Wahlen unter Dach und Fach. In einem „Konsenspapier“ bezeichneten die Anwesenden eine Erweiterung des Bündnis 90 um die Grüne Partei und den Unabhängigen Frauenverband (UFV) als die praktikabelste Variante für ein grün-bürgerbewegtes Zusammengehen. Diese Vereinigung unter dem Namen Bündnis 90/ die Grünen soll dann, gemäß dem neuen Wahlmodus, eine Listenverbindung mit den West-Grünen eingehen.

Das Konsenspapier wurde damit rechtzeitig fertig, um noch am Wochenende in die Verhandlungen mit dem Bonner Bundesvorstand eingebracht zu werden. Seitens der West -Grünen brachte Antje Vollmer das Angebot ein, auf sämtlichen Landeslisten, die noch unter anderen Vorrausetzungen aufgestellt worden seien, die ersten Plätze für KandidatInnen aus der DDR zur Verfügung zu stellen.

Damit könnten sie auch in einer künftigen Fraktion zahlenmäßig gleichberechtigter vertreten sein. Der Vorschlag wurde aufgegriffen und im Konsenspapier noch einmal als Forderung an die Grünen (West) aufgenommen.

Drang zur Einheit

Über das Ziel eines breiten Wahlbündnisses war schnell Einigkeit erzielt, hatte sich doch das Bürgerbündnis auf Initiative des Neuen Forums Berlin-Pankow unter diesem Vorzeichen vor zweieinhalb Wochen das erste Mal zusammengefunden. Debatten darüber, wer die meisten Mitglieder habe, wer am besten strukturiert oder die intellektuelle Vorhut im Herbst gewesen sei und daraus besondere Ansprüche für den Fall eines Zusammengehens ableite, sollten tunlichst beendet werden, waren sich alle einig. In der Praxis, so ein immer wiederkehrendes Argument, habe sich erwiesen, daß es auch dem Zufall geschuldet sei, wer in welcher Gruppe seine Heimat gefunden habe. In der gemeinsamen Arbeit spiele dies kaum eine Rolle.

Bei so viel Drang zu Einheit blieb es nicht aus, daß einzelne Fragen nicht abschließend geklärt wurden, beispielsweise der Vorwurf an die Adresse des UFV, unter ihren Mandatsträgerinnen seien auch Mitglieder der PDS. Christine Schindler vom UFV führte aus, daß sich der Frauenverband ganz bewußt an alle Frauen richte und man daher eine Doppelmitgliedschaft nicht ausschließen wolle.

Ein allgemeines Aufatmen war spürbar, als Christine Ziller (Demokratie Jetzt) bekanntgab, daß die VL bereits beschlossen habe, sich nicht an den Wahlen zu beteiligen, es ihren Mitgliedern aber freistelle, auf anderen Listen zu kandidieren. Damit hatte sich eine weitere Debatte über die Breite des Bündnisses erübrigt.

In der Diskussion um das Wie eines Wahlbündnisses standen zwei andere Organisationen im Mittelpunkt: Das Neue Forum und die Grüne Partei. Letztere wehrte sich, zum Teil mit aggressivem Unterton, vehement dagegen, daß ihr nun der „schwarze Peter“ zugeschoben werde, sprich: sie sich erklären sollte, ob sie angesichts des Wahlmodus nun eine Fusion („Konfusion“) mit den West-Grünen oder ein breites, auf die DDR bezogenes Bündnis anstrebe, das dann eine Listenverbindung mit den West-Grünen eingeht. Im Raume stand schließlich die Frage, ob man eine Wahlpartei gründen und wie verbindlich die Schlußerklärung abgefaßt sein sollte. Diejenigen, die für eine Wahlpartei plädierten, konnten sich nicht durchsetzen.

Die Einwände: die Gründung eines neuen Vereins mit neuem Namen sei verwirrend und nicht mehr als ein künstliches Gebilde. Seitens der Grünen Partei wurde wiederholt darauf hingewiesen, daß diese Option in den eigenen Reihen nicht mehrheitsfähig ist, auch wenn es keinen Beschluß dazu gebe. Für eine Fusion mit den West-Grünen, eine Variante also, die den Bürgerbewegungen höchstens noch Listenplätze zur Verfügung stellen könnte, machte sich niemand stark.

Druck von unten

Als es dann um die das weitere Vorgehen ging, hatten nochmals diejenigen das Wort, vor allem seitens der Grünen Partei, die Rücksichten nehmen wollten und auf die bereits laufenden „offiziellen“ Verhandlungen verwiesen: warum doppelte Strukturen schaffen, um die Einheit zuwege zu bringen, wo es doch schon gemeinsame Arbeitsgruppen über die Wahlplattform und die technische Abwicklung gebe - Resultat der bisherigen Verhandlungen mit den Bundesgrünen.

Doch, so wollte es die Versammlung, das Signal von der Basis sollte deutlich ausfallen. In der enervierenden Debatte um die Formulierung des Konsenspapiers meldeten sich immer wieder diejenigen zu Wort, die auf konkrete Beschlüsse drängten. Die Skepsis gegenüber den „Funktionären“ der eigenen Gruppierung klang da mit durch. Nach der Einigung auf die Erweiterung des Bündnis 90 und anschließender Listenverbindung wurde daher auch beschlossen, eine Arbeitsgruppe zu beauftragen, bis zum nächsten Treffen den Entwurf für eine Satzung auszuarbeiten. Der durch die Debatte um den vorgezogenen Wahltermin verschärfte Zeitdruck und der damit hervorgerufene Zwang zur schnellen Einigung hatte an diesem Samstag durchaus auch seine positiven Seiten.