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Deichgraf soll seine Räumung zahlen

■ Verspätete Rechnung über 82 Mark für eine Mutlangen-Blockade

Wer 16 Polizisten eine Stunde lang beschäftigt, hat mit Gebühren nicht unter 608 Mark zu rechnen. Im April dieses Jahres bekam Gerold Janssen, Deichgraf zu Bremen und engagierter Streiter für den Frieden, einen Brief mit diesem Rechenexempel. Die Form war amtlich, der Ton war kühl, die geforderte Summe „zahlbar sofort“.

Dieses Schreiben war das vorläufig letzte einer langen Reihe von Briefen und hat eine beinahe alltägliche Vorgeschichte: Vor drei Jahren im Mai blockierten acht Menschen, darunter unser Deichgraf, die Zufahrt des US -amerikanischen Waffenlagers in Mutlangen, um ihren Forderungen nach Frieden und Abrüstung den gebührenden Nachdruck zu verschaffen. Als sie mehrfachen Aufforderungen zur Räumung der Straße nicht nachkamen und sich auch von polizeilichen Androhungen „unmittelbaren Zwangs“ nicht schrecken ließen, wurden sie, schließlich „von der Fahrbahn entfernt“.

Alle acht mußten ihren Ungehorsam büßen, und Gerold Janssen wurde, zwei Wochen bevor Reagen und Gorbatschow das denkwürdige Abkommen über den Atomraketen-Abbau unterzeichneten, wegen „gemeinschaftlicher Nötigung“ zu einer Geldstrafe von 800 Mark verurteilt. Als sogenanntem „Ersttäter“ wurde ihm jedoch zwei Monate später von dem mit mehreren hundert Blockierer-Verfahren völlig überlasteten Amtsgericht Schwäbisch-Gmünd ein Deal angeboten: Man würde von der Strafe absehen, wenn er sich bereit erklärte, 200 Mark an den gemeinnützigen BUND zu zahlen. Janssen akzeptierte, das Verfahren wurde eingestellt.

Doch erledigt war die Sache damit noch lange nicht. Vor zehn Tagen, also runde zwei Jahre nach Einstellung seines Verfahrens, bekam Gerold Janssen wiederum eine Aufforderung, „umgehend“ Geld auf ein Stuttgarter Konto zu überweisen. 82 Mark benötige das Land Baden-Württemberg zur Deckung der Kosten, die dem Staat - rein rechnerisch - durch den Abtransport der acht Friedensfreunde von der Kasernenzufahrt in Mutlangen entstanden seien: Eine Stunde lang 16 Polizisten zu jeweils 38 Mark das Stück, geteilt durch acht Demonstranten, plus sechs DM „Zustellungsgebühr“ für jeden. Macht nach Adam Riese 82 Mark pro Demonstrant - oder etwa nicht? Susanna Moßman

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