Senat will „218“ abtreiben

■ Bis zur Neuregelung durch ein gesamtdeutsches Parlament soll in ganz Berlin die DDR-Fristenlösung gelten / Vorstoß von SPD und AL

Berlin. Berliner Frauen können - zunächst einmal - aufatmen: Nach einem gestrigen Beschluß des Westberliner Senats in einer gemeinsamen Sitzung mit dem Ostberliner Magistrat soll die in der DDR geltende Fristenlösung nach der Vereinigung beider Stadthälften im künftigen Land Berlin übernommen werden. Das somit zumindest für eine Übergangszeit in Berlin zugestandene „Recht auf den eigenen Bauch“ innerhalb der ersten zwölf Schwangerschaftswochen war das Ergebnis einer Initiative der drei SPD-Senatorinnen für Gesundheit und Soziales, Justiz sowie Bundesangelegenheiten und der von der Alternativen Liste gestellten Frauensenatorin Anne Klein und soll in Form einer Protokollerklärung als Anlage zum zweiten Staatsvertrag eingebracht werden.

Die Fristenlösung der DDR sieht generell die Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruchs bis zur zwölften Woche vor. Mit der Übernahme dieser Regelung soll ausgeschlossen werden, daß sich die Paragraphen 218 und 219 des bundesdeutschen Strafgesetzbuches auf das Gebiet der jetzigen DDR erstrecken. Statt des von der Bundesregierung beschlossenen Wohnortprinzips sieht der Senatsbeschluß das Tatortprinzip vor. Das heißt, daß eine Frau aus dem Westen, die in der DDR einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen läßt, ebenfalls nicht bestraft werden soll.

Die Begründung für den immerhin erstaunlichen Beschluß ist einleuchtend: Zwei unterschiedliche Strafrechtsregelungen seien für das künftige Land Berlin nicht akzeptabel, und: Weder in der Ostberliner Charite noch im Westberliner Klinikum Steglitz solle ein Schwangerschaftsabbruch unter den Bedingungen der Fristenregelung strafbar sein.

Gänzlich aufatmen können die Berlinerinnen dennoch nicht: Der Beschluß kann nur bis zur Neuregelung durch ein gesamtdeutsches Parlament gelten. Erst dann wird sich zeigen, ob das einzwängende bundesdeutsche Paragraphenwerk auch vom vereinigten Deutschland abgetrieben wird.

maz