: Bonn zahlt Ausfälle an die Rüstungslieferanten
■ In den nächsten Tagen tritt das Embargo in Kraft
Noch ist es nicht ganz soweit. In den bundesdeutschen Häfen dürfen derzeit noch Lieferungen in den Irak und nach Kuwait auf die Frachtschiffe geladen werden - aber nicht mehr lange. Mit der Umsetzung des UNO-Beschlusses über das Embargo gegen die beiden Staaten in bundesdeutsches und EG -Recht wird in den kommenden Tagen gerechnet. Danach dürfen nur noch Medikamente, medizinisches Versorgungsgut und Nahrungsmittel geliefert werden, und nur, wenn sie humanitären Zwecken dienen. Darunter fallen etwa 20 Prozent der Gesamtexporte; Hersteller von Milchabfüllanlagen mit Irak-Verträgen in der Tasche machen sich jetzt Gedanken darüber, ob sie ihre Maschinen jetzt noch loswerden dürfen.
Ausnehmend schnell hat das Bundesamt für Wirtschaft (BAW) reagiert, das für die Exportgenehmigungen zuständig ist. Während die Beamten in der Eschborner Behörde in den vergangenen Jahren von Dritte-Welt-Gruppen und der Anti-AKW -Bewegung kritisiert worden waren, weil sie der Ausfuhr von rüstungs- und atomtauglichem Material in aller Herren Länder zugestimmt hatten, werden nun seit einigen Tagen keine Genehmigungen mehr erteilt und bereits bestehende zurückgezogen.
Mit der Zustimmung von Wirtschaftsminister Haussmann im Rücken wird der Bund zahlen müssen: Er ist im Embargofall gegenüber den Lieferfirmen schadenersatzpflichtig, wenn sich herausstellt, daß die Güter militärisch verwendungsfähig sind. Die neue BAW-Ausfuhrliste für den Irak umfaßt nun endlich auch Maschinen, Anlagen und Werkzeuge, die für die Herstellung von Teilen kerntechnischer Anlagen, Flugkörper und Raketen sowie Spezial-Software geeignet sind.
Schlecht ist es aber um die Unternehmen bestellt, die in Bagdad eine Rechnung offen haben - derzeit hat die Hussein -Regierung keinerlei Anlaß, die ausstehenden Beträge zu begleichen. Besser sieht es für die Industriebetriebe mit Exportbürgschaften durch die staatliche Hermes-Versicherung aus. Derzeit würden über zwei Milliarden DM Ersatzzahlungen fällig werden. 1989 wurden für rund drei Milliarden DM Waren nach Kuwait und in den Irak geliefert; der Export nach Bagdad war allerdings in diesem Jahr wegen der desolaten Finanzsituation Iraks stark rückläufig.
Das politisch Überraschende an der Umsetzung des Embargos ist allerdings die Kehrtwende, die Regierung und Industrielle in puncto Sanktionen gemacht haben. Das Argument, daß ein Land unter Lieferboykott genügend Lieferanten findet, um seinen Bedarf an Kriegs- und anderem Material zu decken, scheint nicht mehr so gültig zu sein, wie es noch im Fall Südafrika immer behauptet worden war. Der große Unterschied ist jedoch, daß die Rassistenregierung am Kap als befreundet gelten konnte, während der Irak mit seinem Zugriff auf die Ölinteressen des Westens innerhalb von Tagen zum Erzfeind wurde. Wenig wahrscheinlich ist, daß sich eine solche Boykottbewegung entwickelt hätte, wenn nicht ausgerechnet ein so reiches Land wie Kuwait betroffen gewesen wäre.
Dietmar Bartz
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