taz auf Raum-Patrouille

■ Leerstehende und verfallende Häuser, taz-serienmäig besucht Teil sechs

Die junge Frau mit zwei Kindern zeigt auf die gegenüberliegende Straßenseite „Schauen sie sich das nur mal genauer an. Es ist doch einfach ein Skandal, daß hier die Häuser leerstehen, wo andere nicht wissen wohin“. Gemeint ist ein erbsengrünes Wohnhaus mit Turm-Erker und Zwiebeldach - die Oslebshauser Heerstraße 144.

Verwaist und etwas deplaziert zwischen Kneipe und Getränkehandlung steht das noch immer recht schmucke Domizil vor einem verwilderten Gartengrundstück. Doch der äußere Anstrich täuscht. Nach einem Blick durch ein Bretterastloch wird schnell klar: Hier wurde schon seit Jahren kein Pfennig mehr investiert. Feuchtigkeit und Schimmel konnten in aller Ruhe ihr Werk tun.

Der Samenhändler von gegenüber, seit seiner Kindheit in dieser Straße zu Hause, weiß Bescheid. „Das Haus steht jetzt an die 18 Jahre leer. Irgendsoein Landwirt hat es damals gekauft, sich dann aber kaum drum gekümmert. Eine Zeitlang stand es sogar offen. Kinder haben das Gelände dann für sich erobert und hier gesielt. Das ging aber nur so lange gut bis dann mal was passiert ist“. Anfang der '80er sei ein

Mädchen gestürtzt und habe sich ziemlich schwer verletzt. Da wäre dann der Bürgerverein Oslebshausen aktiv geworden. Erreicht worden sei damals zusammen mit der Baubehörde, daß das Gebäude neu gestrichen wurde und man die Fenster fest verriegelte.

Eine alte Nachbarin erzählt, die Firma Aldi habe sich vor einigen Jahren für das Grundstück hinter dem Haus interessiert. „Das sind immerhin fast 300.000 Quadratmeter Moorland“, hat sie von Bekannten gehört. „Aber der Besitzer wollte nicht weniger als drei Millionen Mark dafür haben. Und das war wohl sebst für Aldi zu teuer“.

Auch im Ordsamt Bremen-West ist die Oslebshauser Heerstraße 144 schon lange keine Unbekannte mehr. Anfang der 80er begann sich auch hier eine rege Diskussion zwischen Kommunalpolitikern des Beirates und dem Ortsamt zu entwickeln. Gemeinsam mit dem Bauressort kam man schließlich überein, daß hier unbedingt eingegriffen werden müsse. Rechtliche Grundlage dazu bot die „Zweckentfremdungsverordnung“, wonach jeder Hauseigentümer belangt werden kann, wenn er ein Wohnob

jekt bewußt leerstehen und verkommen läßt.

„Wir haben uns gesagt“, erzählt der Ortsamtsleiter Bernd Peters, „das ist ein typischer Fall. Es geht einfach nicht an, daß so ein Objekt jahrlelang leer steht. Wo es auf der anderen Seite Leute gibt, die Wohnungen suchen“. Dann habe man zusammen mit dem Senat den Eigentümer, Hermann Bosse, angesprochen. Im Endeffekt seien aber nicht mehr als eine Ordnungswidrigkeit und ein Bußgeldbescheid herrausgekommen, gegen den Bosse sofort Einspruch erhoben habe. Die 1000 DM Ordnungsstrafe seien später aber noch gezahlt worden.

Kurze Zeit danach, kann sich Peters noch erinnern, habe eine Komission von Fachleuten das Haus genauer inspiziert. Wegen des desolaten Zustand des Gebäudes, das schon damals unbewohnbar gewesen sei, wurden dem Eigentümer Renovierungsauflagen gemacht. „Wir waren sehr guter Hoffnung, daß nun der richtige Weg eingeschlagen ist. Außer einem Außenanstrich passierte jedoch gar nichts“.

Als das Thema 1985 von neuem auf den Tisch des Amtsleiters flatterte, hatte sich die Rechtslage grundlegend verän

dert. Die „Zweckentfrem dungs-Verordnung“ war aus bisher ungeklärten Gründen vom Senator für Bauwesen aufgehoben worden. „So waren uns plötzlich die Hände gebunden“, bedauert Amtsleiter Peters. Außer moralische Apelle an den Besitzer sei in der Zeit nichts gelaufen. Doch seit der Jahreswende blickt man auch von Amtswegen wieder mit Zuversicht in die Zukunft. Denn was keiner erwartete und doch jeder erhoffte ist geschehen: Die „Zweckentfremdungs-Verordnung“ trat wieder in Kraft. Von nun an soll es keine Kompromißlösungen mehr geben.

„Ich bin zwar kein Verfassungsrichter, aber trotzdem der Meinung, daß nach einer Vorlaufzeit von zehn Jahren der Eigentmer etwas deutlicher angesprochen werden muß“. Man wolle die neuen Rechtsmöglichkeiten prüfen und darauf dringen, daß hier „mit aller Konsequenz und Härte durchgegriffen wird“. Als letzte Möglichkeit müsse man auch einmal prüfen, ob nicht gegebenfalls die Stadtgemeinde ein Angebot machen könne. Andererseits, fügt Peters hinzu, sei er schon immer Optimist gewesen. „Vielleicht läßt der Eigentümer doch mit sich reden“.

bz