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Wie hältst du's mit dem großen D?

■ Umfrage der „Stiftung Gesellschaftsanalyse“ belegt: Fast die Hälfte der DDR-Bürger hält das Anschlußtempo für zu schnell / 51 Prozent der Befragten fühlen sich als „Deutsche aus der DDR“

Berlin (taz) - Sozialwissenschaftler der Noch-Republik haben es jetzt mit einer Umfrage festgestellt: Es „brodelt“ im Gemüt der DDR-Bürger. Zwar lehnt nur eine kleine Minderheit die Vereinigung rigoros ab, doch immerhin 46 Prozent halten das Tempo für übereilt.

Ein Einheitsgefühl vom „Deutschsein“ scheinen die meisten auch noch immer nicht zu haben, denn weniger als die Hälfte der über 1.000 Befragten sieht sich als „Deutsche/r“ schlechthin. Hingegen fühlen sich 51 Prozent - so wurde angegeben - als „Bürger beziehungsweise Deutsche aus der DDR“.

Das „bisher einmalige soziale Experiment“ des Einigungsprozesses hat zwanzig Wissenschaftler - die meisten unter ihnen von der ehemaligen Akademie der Gesellschaftswissenschaften - zu dieser repräsentativen Briefbefragung veranlaßt. Dabei ging es den Mitarbeitern der unlängst gegründeten „Stiftung Gesellschaftsanalyse“ vor allem um die Kernfrage: „Wie nehme ich das große Deutschland an?“ Der bislang von der PDS finanzierte eingetragene Verein „Stiftung Gesellschaftsanalyse“ sieht sich selbst als parteiunabhängig an, befindet sich aber nach eigenen Angaben zur Zeit auf der Suche nach Sponsorengeldern aus dem Bundesgebiet.

„Die kritische Sicht auf den Vereinigungsprozeß nimmt zu“, sagte Projektleiter Professor Jürgen Hofmann mit Blick auf bisher bekannte Trenduntersuchungen. Die jetzige Umfrage habe ergeben, daß die Skepsis gegenüber Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion wachse: ein Viertel der Befragten befürchtet ein Absinken des Lebensstandards, und 12,5 Prozent sehen sogar ihre Existenz bedroht.

„Überrascht“ zeigten sich die Mitarbeiter der Studie über die Ausländerfeindlichkeit. Auf die Frage: „Sollte das zukünftige Deutschland ausländischen Arbeitskräften offenstehen?“ machten knapp 57 Prozent bei „Nein“ ihr Kreuzchen. Die „Sorge um den eigenen Arbeitsplatz ist dabei das dominierende Motiv“, erläuterte Hofmann. Immerhin machen 83 Prozent der Befragten dies geltend. Ein Viertel derer, die keine ausländischen Arbeitskräfte in einem geeinten Deutschland haben wollen, meinten entweder: „Die fremde Lebensart paßt uns nicht“ oder führten an: „Wir haben nichts zu verschenken“.

Ein klares Votum gab es für „alte DDR-Werte“. 80 Prozent der befragten Männer und Frauen sprachen sich für das Recht auf selbstbestimmten Schwangerschaftsabbruch aus. Das Recht auf Arbeit verlangten 83 Prozent, und fast neun von zehn Befragten forderten ein Verbot neofaschistischer und rassistischer Organisationen. Eindeutig war auch der Wunsch nach einer plebiszitären Demokratieform; 89 Prozent der Befragten wollen das Recht auf Volksentscheid in der gesamtdeutschen Verfassung verankert sehen.

Geradezu überwältigend - und für alle Nato-Apologeten eine schallende Ohrfeige - ist das Votum für ein „neues System europäischer Sicherheit“: 87 Prozent verlangen dies, und lediglich 11,2 Prozent möchten das künftige Deutschland weiterhin in der Nato haben. Der Warschauer Vertrag dagegen ist komplett abgeschrieben, ganze 0,3 Prozent möchten dort ihre Zuflucht suchen.

asw

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