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Rentablere Zivilproduzenten

■ Studien über die Folgen der Umrüstung für die Belegschaften: Rüstungs- arbeiter sind zu hoch bezahlte und oft schwer vermittelbare Fachidioten

Von Martin Kempe

Berlin (taz) - Rund 55 Millionen Menschen sind weltweit direkt von Rüstungsproduktion und -haushalten abhängig. Aufgrund ihrer sozialen Abhängigkeit vom Rüstungssektor, können sie zu einem Hemmfaktor bei den Bemühungen um Abrüstung werden - als soziale Basis für die industriellen Rüstungskomplexe in den hochgerüsteten Ländern in Ost und West. Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) hat nun in Moskau auf der von ihr und der UNO veranstalteten Konferenz „Umrüstung: Wirtschaftliche Anpassungmaßnahmen in einem Zeitalter der Abrüstung“ Material über die Dimensionen und Schwierigkeiten der notwendigen Rüstungskonversionsmaßnahmen vorgelegt. Danach macht zwar der Anteil der rüstungsabhängigen Industrie in allen Industrieländern nur einen Bruchteil der Gesamtindustrie aus, aber dennoch handelt es sich zumeist in absoluten Zahlen um politisch relevante Größenordnungen.

Dabei sind noch nicht einmal die Menschen eingerechnet, die nur indirekt von der Rüstungsproduktion abhängig sind. In den USA beispielsweise arbeiten 1,8 Millionen Menschen direkt für die Rüstung, in der Sowjetunion wird die Zahl auf 6 bis 7 Millionen geschätzt, und in den größeren EG-Ländern leben bis zu 400.000 Beschäftigte von Waffenbau und Kriegsgerät. Das sind Größenordnungen, die kein Politiker ignorieren kann, der Wahlen gewinnen will.

Die ILO geht davon aus, daß eine Schießung von Rüstungsproduktionsstätten zu erheblichen Belastungen des Arbeitsmarktes führen kann. Nur ein kleiner Teil der Beschaftigten, rund 15 Prozent, könnte durch vorzeitige Pensionierung oder andere Maßnahmen den Arbeitsmarkt verlassen. Ein Drittel, so die ILO, wird zwar innerhalb von ein oder zwei Jahren eine andere Arbeit finden, aber eine schlechter bezahlte. Ein weiteres Drittel wird einen besseren Arbeitsplatz finden, während rund 18 Prozent auf Dauer arbeitslos bleiben. Diese allgemeinen Trendaussagen müssen allerdings regional differenziert werden, je nachdem wie hoch der Rüstungsanteil dort ist.

Die Weitervermittlung von ehemaligen Rüstungsbeschäftigten ist durch besondere Umstände erschwert. So hat diese Industrie in den meisten Industrieländern zu den Hätschelkindern der nationalen Regierungspolitik gehört mit verhängnisvollen Folgen für die Produktionsstruktur der Betriebe sowie die Qualifikation und Entlohnung der Beschäftigten. Die enge Verzahnung mit den staatlichen Auftraggebern im Rüstungsbereich hat zur Folge, daß die Marktkonkurrenz weitgehend ausgeschaltet ist. Rüstungsproduzenten unterliegen daher in aller Regel nicht dem gleichen Rentabilitätsdruck wie zivile Betriebe. Sie sind personell häufig überbesetzt und arbeiten mit niedrigerer Produktivität - ein Umstand, der die Umstellung auf zivile Produktion erschwert. In aller Regel ist die hochgezüchtete Technnologie nicht ohne weiteres für zivile Produktion verwendbar. Aber selbst wenn dies problemlos möglich wäre, befinden sich doch in aller Regel bereits rationeller produzierende Konkurrenten am Markt.

Die staatliche Protektion des Rüstungsbereichs hat den Beschäftigten handfeste Vorteile gebracht, die ihrer Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt im Falle von Abrüstungsmaßnahmen entgegenstehen. „Die Arbeitnehmer in der Rüstungsindustrie beziehen weltweit vergleichweise höhere Löhne“, stellt die Internationale Arbeitsorganisation fest. Ohne Einkommensverzicht der bisher Privilegierten wird läuft also in aller Regel gar nichts. Aber sie sind häufig auch Fachidioten. Sie verfügen zwar über sehr hohe fachliche Qualifikationen, sind aber meist äußerst spezialisiert.

Die ILO plädiert für langfristige Strategien bei der Umstellung der Rüstungsindustrien auf zivile Produktion. „Es liegt in der Natur von Rüstungsbeschränkungen, daß sie leicht vorhersehbar sein sollten“, schreibt sie den Regierungen ins Stammbuch. Also müßten Umstellungsprgramme oder auch - wenn nötig - Stillegungen langfristig geplant werden, um die Beschäftigten nicht gegen notwendige Abrüstungsmaßnahmen aufzubringen. Die Frage, ob allein die Auflösung des Ost-West-Gegensatzes einen Abrüstungsschub hervorrufen kann, bleibt bei diesen Aussagen vorerst unbeantwortet. Als sie formuliert wurden, hatte Saddam Hussein den Nachbarstaat Kuwait noch nicht überfallen.

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