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Volkshochschulen starten ins neue Semester

■ Großes Interesse gibt's für alles, was beruflich weiterbringt / Die Nachfrage übersteigt bei weitem das Angebot / Kooperation zwischen Ost- und Westberliner Partnervolkshochschulen / Senatskommission arbeitet Verbesserungsvorschläge aus

Berlin. Samstag ist es wieder soweit: Der Run auf die Kurse der Volkshochschulen (VHS) beginnt. Und zwar in Ost -Berlin. Ob es dort allerdings genauso turbulent zugehen wird wie ab September in den Westberliner VHS, wird sich erst zeigen. Das „Lehrgangsangebot der Volkshochschulen Berlin“ für die nächsten zwei Jahre hat gerade mal das Format eines Din-A4-Schulheftes. Auf 55 Seiten sind dort die Kurse der zehn Ostberliner VHS aufgeführt. „Wenig Speck“, meint Manfred Meisner, Direktor der VHS Schöneberg. Zum Vergleich: Das Schöneberger Programm hat allein etwa 220 Din -A5-Seiten.

Erst allmählich beginnen die einzelnen Ostberliner Einrichtungen eigene Programme mit neuen Schwerpunkten zu erstellen. Im gemeinsamen Heft werden weitgehend die traditionellen Lehrinhalte angeboten, Kurse für einen nachträglichen Schulabschluß dominieren. Nur zaghaft wird das Programm erweitert: „Betriebsführung - Management“, „Bewerbung und Vorstellung“, „Business English“ - Nachhilfe, um sich in der westlichen Wirtschaftswirklichkeit zurechtzufinden.

Dieser Bereich liegt jedoch zunächst in den Händen der westlichen KollegInnen. Etwa eine Million Mark stellte die Bundesregierung für den Aus- und Aufbau der VHS in und um Ost-Berlin zur Verfügung. Jede Westberliner VHS erhielt einen Teil des Geldes und eine Partnerin in Ost-Berlin. Die VHS Tempelhof zum Beispiel entwickelte mit 75.000 Mark Programme für Lichtenberg und den Nachbarkreis Zossen. Schwerpunkte sind die berufliche Fortbildung der DozentInnen Ost und Angebote für „Multiplikatoren“. „Dazu zählen wir allerdings im Moment alle Menschen in der DDR“, sagt Walter Kaschubat von der VHS Tempelhof. Themen sind: „Wie mache ich mich selbstständig?“, „Bundesdeutsches Steuerrecht“ oder EDV -Kurse.

Der Berliner Senat ist ebenfalls an der Verbesserung der Situation interessiert. Die „Kommission zur Strukturentwicklungsplanung“ der VHS legte der zuständigen Senatorin, Sybille Volkholz, einen ersten Bericht vor. Ein Ziel soll die tarifliche und soziale Absicherung der freien VHS-MitarbeiterInnen im Westen sein. Insgesamt sollen die VHS in beiden Teilen Berlins ein einheitliches System bilden und zu „Kristallisationspunkten bezirklicher Weiterbildungsarbeit“, so Volkholz, werden. Bis Mitte November will die Kommission ihren Schlußbericht vorlegen, der sich auch mit Fragen des Kursangebotes und der Finanzen beschäftigen soll.

Auch wenn das Angebot in Ost-Berlin nicht so umfangreich ist wie im Westteil der Stadt, interessant an einigen Stellen und billiger ist es auch für WestberlinerInnen. Als Ausgleich für die geringen Gebühren Ost zahlen DDR -BürgerInnen in West-Berlin nur die Hälfte.

Die Stärken liegen bei den Sprachen. Welche Westberliner VHS bietet schon in großem Umfang Russisch, Polnisch, Rumänisch oder Bulgarisch an. Im Gegensatz zu den einsemestrigen Sprachkursen im Westen konzipieren die OstberlinerInnen ihre Lehrgänge für ein bis vier Jahre. Aber es gibt auch Nachteile: Fast alle DozentInnen sind im Schuldienst. Die VHS sind in der DDR den Schulen angegliedert. Das bedeutet, die Lehrkräfte arbeiten zwar hauptberuflich für die VHS, haben aber nur geringe praktische Erfahrungen.

In West-Berlin sind alle DozentInnen nebenberuflich tätig und möglichst aus praktischen Bereichen. Besonders im Bereich EDV - derzeitiger Renner in Ost und West - führt das jetzt zu Personalengpässen. Die expandierenden Bildungseinrichtungen in der DDR suchen händeringend MitarbeiterInnen, und sie zahlen besser als die Westberliner. Geld fehlt in West-Berlin vor allem für DozentInnen. „Wir könnten unser Programm verdrei- oder -vierfachen“, sagt Kaschubat. Besonders bei der Sprachausbildung für AusländerInnen hapert es in Bezirken wie Kreuzberg und Schöneberg.

Der Bereich Integration von AusländerInnen könnte, so die Direktorin der VHS Kreuzberg, Monika Breger, ebenfalls noch ausgebaut werden. Die Angebote zur beruflichen Qualifikation und zu kultureller Bildung würden von AusländerInnen gerne genutzt. Für ausländische Frauen bietet die VHS Kreuzberg Kurse in Zusammenarbeit mit Frauen- beziehungsweise Mädchenläden an, um die Schwellenangst der KursteilnehmerInnen abzubauen. Die VHS Schöneberg bietet neben Gymnastikkursen auch Fahrradfahren speziell für ausländische Frauen an.

Vor der Konkurrenz durch die Ostberliner VHS hat Kaschubat vorerst keine Angst. Sein Interesse gilt sogar dem raschen Ausbau des „unterentwickelten“ VHS-Angebotes und der technischen Einrichtungen. Das „Leistungsimage“ der Westberliner VHS soll nicht leiden, wenn ein Gesamtberliner Volkshochschulbereich entsteht.

Übrigens: An der VHS Prenzlauer Berg gibt es noch eine Spezialität. Dort werden Kurse in Englisch und Französisch speziell für RussischlehrerInnen angeboten.

Christel Blanke

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