: Brasiliens Yanomami sterben weiter
■ Ex-Offizier wird Chef der Indianerbehörde FUNAI / Bereits 4.000 von 10.000 Yanomami gestorben
Rio de Janeiro/Berlin (ips/taz) Die Berufung eines neuen Vorsitzenden der brasilianischen staatlichen Indianerbehörde FUNAI hat eine Protestwelle ausgelöst. Ende letzter Woche bestellte das Justizministerium in Brasilia den ehemaligen Unteroffizier Candido Guimares zum FUNAI-Chef. Ihm werden enge Verbindungen zu Holzfällern und Goldwäschern nachgesagt.
„Diese Ernennung verstößt gegen die Interessen der Indios und nützt nur den Garimpeiros und Holzfällern“, erklärte der Präsident der Vereinigung der Eingeborenen-Nationen (UNI), Marcos Terena. Sie stelle einen politischen Pakt zwischen Zentralregierung und den Machteliten in Amazonien dar. Auch der Generalsekretär des katholischen Eingeborenen -Missionsrates CIMI, Antonio Brant, meinte, die Personalentscheidung sei eine „Fortsetzung der Politik der früheren Regierung Sarney“. Die Regierung Collor rief am 19. Juli zwar eine Studiengruppe für die Eingeborenen-Politik ins Leben, diese habe sich jedoch noch kein einziges Mal getroffen, kritisierte Brant.
Die Indianerbehörde FUNAI steht schon längere Zeit im Kreuzfeuer der Kritik, weil sie das massive Eindringen von Goldsuchern und Holzgesellschaften in Indio-Reservate nicht verhindert. Der bekannteste dieser Fälle ist die Invasion von etwa 65.000 Goldwäschern („Garimpeiros“) in das Gebiet der Yanomami im Bundesstaat Roraima nahe der venezolanischen Grenze. Eingeschleppte Krankheiten haben nach Angaben der „Gesellschaft für bedrohte Völker“ bereits zum Tod von 4.000 der insgesamt 10.000 Yanomami geführt.
In manchen Regionen Roraimas sollen bis zu 45 Prozent der Yanomami-Bevölkerung an Malaria erkrankt sein, erklärte ein Ärzteteam, das vor kurzer Zeit unter FUNAI-Aufsicht die Yanomami-Gebiete bereiste. In einem vom „Ökumenischen Dokumentationszentrum“ in Sau Paulo verbreiteten Bericht dokumentieren die Ärzte sowohl die Unfähigkeit der FUNAI, effektive medizinische Versorgung für die Yanomami zu organisieren wie auch Fälle offener Kollaboration zwischen FUNAI und den „Garimpeiros“. Als beispielsweise das den Ärzten von FUNAI zur Verfügung gestellte Flugzeug ausfiel, wurde der Weiterflug mittels einer Maschine aus dem Besitz des Goldwäschers Jose Altino Machado gesichert. Die Maschine transportierte auch Polizisten, die eigentlich die Goldsucher aus dem Gebiet ausfliegen sollten. Als Gegenleistung erlaubte die FUNAI den „Garimpeiros“, die Yanomami-Gebiete wieder anzufliegen - scheinbar, um hinterlassenes Eigentum auszufliegen, aber tatsächlich, um neue Arbeiter, Lebensmittel und Zubehör ins Gebiet zu bringen.
Auch in den Gebieten weiter südlich, wo das militärische Entwicklungsprogramm „Calha Norte“ im Gange ist, werden Yanomami verdrängt. Mit dem Vordringen eines Straßenbauprojekts von der Stadt Santo Isabel ins Yanomami -Gebiets fallen die Eingeborenen zunehmend der Tuberkulose zum Opfer, berichtet der britische Autor Dennison Berwick, der das Gebiet kürzlich besucht hat.
D.J.
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