Wallmann provoziert Koalitionskrise

■ Der hessische Ministerpräsident Walter Wallmann legt sich bei der Verfassungsdebatte auch mit der FDP an Kurz vor den Landtagswahlen erhoffen sich die Christdemokraten bessere Wahlchancen mit der Verfassungsänderung

Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt/Main (taz) - Der hessische Ministerpräsident Walter Wallmann (CDU) hat ein landespolitisches Thema besetzt: „Verfassungsänderung“ heißt seit Monatsfrist die Devise in der Staatskanzlei. Der politisch schwer angeschlagene Wallmann, dem selbst aus den eigenen Reihen heraus „Führungsschwäche“ vorgeworfen wurde, will jetzt mit einem populistischen Vorstoß die hessischen WählerInnen beeindrucken.

Verfassungsänderung zur gesamtdeutschen Bundestagswahl

Schließlich stehen im Januar nächsten Jahres die Landtagswahlen in Hessen auf dem Terminplan - von den Bundestagswahlen im Dezember ganz zu schweigen.

Exakt zum Bundestagswahltermin sollen die Hessen denn auch über die Vorschläge des Ministerpräsidenten zur Änderung der Landesverfassung abstimmen: Umweltschutz als „Staatsziel“, Verlängerung der Landtagswahlperiode von vier auf fünf Jahre und Direktwahl von Bürgermeistern und Landräten in Hessen.

Wallmanns Koalitionspartner FDP legt sich quer

Im Eiltempo soll der Landtag dem Ministerpräsidenten eine entsprechende Gesetzesvorlage absegnen, doch neben der Opposition legt sich auch Wallmanns Koalitionspartner quer.

„Debattenbedarf“ sieht die FDP vor allem bei der beabsichtigten Einführung der Direktwahl der kommunalen und regionalen Verwaltungschefs, denn: „Sollen die Landräte und Bürgermeister dann auch vom Volk wieder abgewählt werden?“

Die kommunalrechtlichen Konsequenzen einer solchen Verfassungsänderung müßten „in Ruhe geklärt“ werden, meinte Vizeministerpräsident Gerhardt (FDP).

Deshalb könne dieses Vorhaben erst in der nächsten Legislaturperiode umgesetzt werden. Ohnehin müsse eine Verfassungsänderung mit einer möglichst breiten Mehrheit im Landtag verabschiedet werden - und die ist im Moment nur beim Unterpunkt „Streichung der Todesstrafe aus der Landesverfassung“ gegeben.

Grüne für öffentliche Anhörung

Das sehen auch die Oppositionsparteien so, die dem „Schnellschuß“ Wallmanns eindeutig ablehnend gegenüberstehen. Doch Wallmann scheint fest entschlossen, seinen Vorstoß bis zum 2. Dezember zur Volksabstimmungsreife führen zu wollen

FDP für Verschiebung der Legislaturperiode

Den Vorschlag der Grünen, eine öffentliche Anhörung zum Thema durchzuführen - „der korrekte parlamentarische Weg“ (Grüne) -, wischte der Ministerpräsident zu Wochenbeginn vom Parlamentstisch.

Wallmann provoziert Koalitionskrise

Und die von der FDP angeregte Verschiebung auf die nächste Legislaturperiode wird von Wallmann offenbar als koalitionsinterne Kampfansage gewertet.

Wallmann kündigte an, bis zur nächsten Woche entsprechende Gesetzesvorlagen erarbeiten und in den Geschäftsgang des Landtages einbringen zu wollen.

Spielt Wallmann sein letztes Pokerspiel?

Wallmann pokert hoch: Um den Vorwurf der „Profillosigkeit“ kontern zu können, provoziert der Ministerpräsident eine Koalitionskrise - falls die FDP nicht noch in letzter Minute umfällt. Sollte Walllmann allerdings in der nächsten Woche im Landtag mit seinem Vorstoß auch an der FDP scheitern, dürfte die angezettelte Verfassungsdebatte das letzte Spiel des Ministerpräsidenten Wallmann gewesen sein. Abgang ist schließlich überall - auch in Hessen.