Szenarios für ein HMI ohne Reaktor

■ Unter den Mitarbeitern des Hahn-Meitner-Instituts beginnt das große Zittern / Riesenhubers Drohung, den Geldhahn zuzudrehen, zeigt Wirkung / Für manche HMI auch ohne Reaktor vorstellbar

Wannsee. Unter den etwa 850 Mitarbeitern des Hahn -Meitner-Instituts beginnt das große Zittern um die Arbeitsplätze. Die Drohung von Bundesforschungsminister Heinz Riesenhuber (CDU), dem Institut den Bonner Zuschuß zu streichen, wenn der Forschungsreaktor keine Betriebserlaubnis bekommt, ist auf dem Wannseer Institutsgelände angekommen. Die Proteste der meisten Beschäftigten richten sich freilich nicht gegen Riesenhuber, sondern gegen die AL-nahe Westberliner Umweltsenatorin Michaele Schreyer. In einem offenen Brief an den Regierenden Bürgermeister Walter Momper, der als Anzeige heute auch in dieser Zeitung erscheint, fordern die HMI-Beschäftigten eine Genehmigung für den Forschungsmeiler. Auch die Forschungsaktivitäten im Institut, die nicht auf den Reaktor angewiesen sind - und das sind immerhin zwei Drittel der Arbeit am HMI - seien „durch die unsichere Situation des Instituts gefährdet“.

Unterschrieben haben den Aufruf 516 der etwa 850 HMI -Angestellten. Nach wie vor gibt es eine Minderheit am Institut, die selbst der Druck von außen nicht dazu bewegen konnte, sich mit den Reaktorfans zu solidarisieren. Auch der FU-Physiker Helmut Gabriel, der bis vor kurzem als neuer wissenschaftlicher Leiter des Instituts und Nachfolger von Hans Stiller im Gespräch war, schlug im Gespräch mit der taz differenzierte Töne an. Schreyers Negativbescheid für den HMI-Reaktor findet durchaus seine Kritik. Jetzt sei nämlich nicht nur das HMI in seinem Bestand gefährdet, sondern der ganze Wissenschaftsstandort Berlin. Zunehmend werde es fraglich, ob Bonn Berlin unterstützen werde, wenn demnächst die Finanzierung der großen Ostberliner Wissenschaftseinrichtungen geklärt werden müsse. Auf Bonner Hilfe sei die Stadt aber schlicht „angewiesen“. Freilich verschont Gabriel auch Riesenhuber nicht von Kritik. „Auf beiden Seiten wird das Gesetz der Verhältnismäßigkeit verletzt“, meint der Physiker mit Blick auf Riesenhubers Drohung, den Geldhahn zuzudrehen.

Den Posten des Instituts-Chefs wird Gabriel freilich nicht antreten. Die Zitterpartie um den Reaktor ist ein Grund dafür. Stiller beklagte kürzlich sogar den Verlust von zehn „ganz führenden“ Wissenschaftlern. Einigen HMI -Wissenschaftlern kommen trotzdem keine Tränen. Sie könnten sich nach wie vor ein Institut ohne Reaktor vorstellen. Eine Alternative wäre eine sogenannte Spallationsneutronenquelle gewesen, die ebenfalls Neutronen zur Strukturforschung erzeugt - und dies, ohne strahlenden Atommüll zu hinterlassen. Das räumt auch Stiller ein; er verweist aber auf die vergleichsweise höheren Kosten einer derartigen Neutronenquelle. Als 1980 der Umbau des Reaktors beschlossen wurde, sei von der Alternativtechnik überdies „noch wenig die Rede“ gewesen.

Gabriel hatte gegenüber dem HMI ebenfalls ein „Szenario“ ohne Reaktor entworfen. An seine Stelle wäre der geplante Elektronenspeicherring Bessy II getreten. Das sei heute aber „reine Fiktion“, schwächt der Physiker ab. Schuld daran ist nicht die Umweltsenatorin, sondern Forschungsminister Riesenhuber. Er blockiert seit Monaten die nötigen Mittel für das 125-Millionen-Objekt. Bessy II „hängt völlig an Riesenhuber“, bestätigt Staatssekretär Hans Kremendahl von der Senatswissenschaftsverwaltung. Im Hintergrund steht aber auch hier der HMI-Reaktor: Für Riesenhuber, klagt Kremendahl, gebe es „de facto“ ein „Junktim“ zwischen der Reaktorgenehmigung und Zuschüssen für Bessy II.

hmt