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Polens Waffenhandel ohne Grenzen

■ „Biete Maschinengewehr, suche Panzer“ / Warum Landwirte mit Geschützen handeln dürfen Das Monopol ist weg, die Kontrolle auch / Polnische Söldner nach Südafrika - Panzer für den Irak

Aus Warschau Klaus Bachmann

„Fünfzig polnische Panzer beabsichtigt ein aus einem außereuropäischen Land kommender Kunde zu kaufen, der an der Kattowitzer Börse erschien“, diese lapidare 'pap'-Meldung ging vor kurzem durch die polnische Presse, ohne besondere Aufmerksamkeit zu erregen. Die meisten Zeitungsleser wissen, daß eine „Börse“, ein angemietetes Hinterzimmer ist, in dem von Zement bis zu Wertpapieren alles mögliche gehandelt wird, und daß jemand nach Polen kommt, um ein paar Panzer mitzunehmen, auch das ist so sensationell nicht.

Polens Waffenhandel ist inzwischen privatisiert, das jahrzehntelang bestehende Monopol der staatlichen Waffenhandelszentrale „Zentrale Ingenieursverwaltung“ wurde aufgehoben, selbige, mit der gleichen Führung in eine GmbH namens „Cenzin“ verwandelt, an der das Außenhandelsministerium und Polens Rüstungsfirmen beteiligt sind. Handeln darf jetzt jeder. Jozef Kowalczyk, Abgeordneter des polnischen Parlaments zog bei einer Ausschußsitzung unlängst ein Faltblatt eines Radomer Privatmannes aus der Tasche: „Biete 7,62 Millimeter automatische Maschinenpistole mit Zusatzmagazin für 110 Dollar, 5,45 Millimeter automatische Maschinenpistole Tantal für 282 Dollar...“ Legal, behauptet Kowalczyk, denn Ingenieur Paluch, so der Name des Waffenhändlers, habe vom Außenhandelsministerium eine Konzession erteilt bekommen. Wie und warum, das weiß Kowalczyk auch nicht. Das Außenhandelsministerium verweigert jegliche Auskünfte. Die Tageszeitung 'Zycie Warszawy‘ verglich diese Praktiken bereits mit dem Schalck-Golodkowski-Skandal in der DDR.

Um die Exportkontrolle durch Cenzin zu umgehen, können sich ausländische Einkäufer nun eines halben Dutzends von Privatfirmen bedienen, die alle auf geheimnisvolle Art und Weise Lizenzen zum Waffenhandel erhalten haben. Das geht aus einer Stellungnahme von Abgeordneten des Bürgerklubs der Außenhandelskomission des Sejm hervor, den die taz einsehen konnte. Eine davon ist die Warschauer „Cenrex-GmbH“, an der neben dem Außenhandelsministerium auch der „Wojewodschaftsverband der landwirtschaftlichen Genossenschaften“ Anteile hält. Chef der GmbH ist zufälligerweise ein ehemaliger Mitarbeiter von Cenzin. Die Firma ist inzwischen dazu übergegangen, Flugzeuge, angeblich zu „touristischen Zwecken“ zu chartern, die Plätze darin, so 'Zycie Warszawy‘ seien stets ausgebucht, obwohl die Firma dafür gar keine Reklame mache... Die Erklärung lieferte die 'Gazeta Wyborcza‘, indem sie andeutete, daß auf diese Art und Weise Waffenlieferungen in den Nahen Osten weiterhin stattfänden, obwohl Premier Mazowiecki Anweisung gegeben habe, Waffenlieferungen an kriegführende Länder einzustellen. Zu spät für jenes Schiff, das Panzerersatzteile und Panzermotoren an Bord hatte und zwei Stunden vor Ausbruch der Kuwaitkrise den Danziger Hafen verließ - Richtung Irak. An Saddam Husseins Regime lieferte Polen in den letzten Jahren laut 'Gazeta Wyborcza‘ Waffen für durchschnittlich 250 bis 300 Millionen Dollar jährlich ein Vielfaches dessen, was das offizielle, unter der Regierung Mazowiecki herausgegebene statistische Jahrbuch als Gesamtexport Polens in den Irak angibt...

Polens geheime Waffenhändler legen daher wenig Wert auf Öffentlichkeit: Allein im Jahre 1989 hat Cenrex stolze 6,7 Milliarden Zloty (zirka 740.000 Dollar) Gewinn gemacht, über 10 Millionen erhielt Direktor Jerzy Dembrowski als Jahresprämie ausbezahlt. Der Erfolg kommt nicht von ungefähr: Laut Gesellschaftsvertrag ist das Außenhandelsministerium verpflichtet, der Cenrex-GmbH alle Informationen über eventuelle Abnehmer zu überlassen, und für sie Kunden zu werben - anstelle des Staates, macht dann die Firma das Geschäft. Warum dabei 20 Prozent die Landwirtschaftsgenossenschaft kassiert ist um so schleierhafter, als ihr Anteil sich darauf beschränkt, der GmbH einen Gebrauchtwagen und die Büroeinrichtung zur Verfügung zu stellen. Sinn des Ganzen, so meinen Insider, sei es, abgehalfterten Militärs einen aufwendigen Lebensabend als Firmenbediensteten zu verschaffen: So sitzt im Cenrex-Aufsichtsrat beispielsweise der Ex-General Wlodzimierz Sewerynski, der zugleich zufälligerweise auch noch Handelsrat an der polnischen Botschaft in Belgrad ist. Die Landwirteorganisation, die jahrelang als offizielle Konkurrenz zur delegalisierten Bauern-Solidarität nicht das beste Ansehen genoß, hat ihrerseits nach der Abschaffung der staatlichen Subventionen für Interessengruppen eine Hintertür gefunden, um an Staatsgelder zu kommen.

Seit geraumer Zeit tauchen in polnischen Zeitungsannoncen Angebote von Privatfirmen zur Vermittlung von Arbeit im Ausland auf. Die meisten sind wenig seriös, da nur das Sozialministerium für solche Vermittlungen zuständig ist. Allerdings geht es auch nicht immer nur ums Erdbeerpflücken in Schweden: Die „polnischen Hunde des Krieges“ würden gesucht, titelte die 'Gazeta Wyborcza‘. Eine Firma namens „Eximp“, die mit einer Rosenheimer Firma namens „Atlanta“ zusammenarbeite, rekrutiere in Tschenstochau ehemalige Geheimdienstler, Polizisten und andere, vorzugsweise jung und sportlich, als Söldner für Südafrika, für 900 bis 2.000 Dollar pro Monat. Sie ist nicht die einzige: Auch in Stettin gibt's eine GmbH, die neben ähnlichen Auslandskontrakten auch noch hilft, die bürokratischen Hürden für Polen zu nehmen, die aufgrund „deutscher Abstammung“ auswandern wollen.

Die Vermittlung in den Apartheitsstaat hat inzwischen ein Gericht untersagt, die Regierung hat indessen eine schwarze Liste, der Länder aufgestellt, in die keine Waffen mehr geliefert werden dürfen. Doch nicht nur die Zeitungen bezweifeln, daß die Behörden auch in der Lage sein werden, alle Transaktionen zu überprüfen.

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