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Gestiegene Hotelpreise versauern den Polen den Urlaub

■ Polen können sich Ferien im eigenen Land kaum noch leisten / Preise wie im in westlichen Urlaubsländern / Staatliche Hotelkette soll privatisiert werden

Aus Warschau Klaus Bachmann

Kurz vor zehn Uhr abends klopfte es an der Tür der engen Dreizimmerwohnung. Zu diesem Zeitpunkt schliefen dort bereits zwei Ehepaare und ein älterer Professor, die Wohnungsinhaber hatten sich bereits auf Matratzen in der Küche verzogen. Zwei Ungarn standen vor der Tür: Ob noch ein Platz frei sei, sie hätten gehört, hier würden Zimmer vermietet. Frau H., die Herrin des Hauses, ließ sie herein. „Sechzehntausend“, sagte sie auf Russisch, zog mit ihrem Mann in das nächstgelegene Hotel, wo sie eine Bekannte hatte, und überließ den Ungarn ihre Küche. Ein lohnendes Geschäft: Die Hotelpreise waren vor einigen Monaten für Polen noch viel niedriger als für Ausländer.

Diese Zeiten sind nun vorbei, und bei Frau H., die wie tausende Einwohner des Erholungsstädtchens Zakopane an der Grenze zur Slowakei am Finanzamt vorbei eine Privatpension betreibt, klopft nun die Rezession an die Tür. Die Touristen bleiben aus, und die Zimmervermieter schicken ihre Kinder mit großen Schildern vor die Stadt: „Zimmer billig zu vermieten.“ Maximal 10.000 Zloty (2 D-Mark) kann Frau H. für ein Zimmer noch verlangen. Die Einkommen der meisten Polen sind in diesem Jahr so zurückgegangen, daß nur noch ein Viertel der Vorjahresurlauber Ferien außer Haus machen kann.

Ein besonderes Ei hat ihnen allen da das Finanzministerium gelegt. Bisher gab es drei verschiedene Preisniveaus für Hotelgäste: Westliche Ausländer zahlten ungefähr zehnmal soviel wie die Polen, die Preise für RGW-Nachbarn lagen irgendwo dazwischen. Diese Politik führte natürlich zu allerhand Manipulationen, etwa dergestalt, daß Taxifahrer ihre westlichen Kunden gegen ein entsprechendes Aufgeld unter ihrem Namen in das Gästebuch eintragen ließen. Bis dann im Juli das Finanzministerium diese Praxis der Preisgestaltung als gesetzwidrig befand. Polens Hotels reagierten prompt und selbstmörderisch. Sie erhöhten die Preise für Einheimische und RGW-Touristen auf das Niveau der Preise für Westreisende. Seitdem muß ein Pole, der in einem Orbis-Hotel mittlerer Güte unterkommen will, bis zu einem durchschnittlichen Monatsgehalt für eine Nacht aufbringen. In fast allen Hotels wurden die Preise auf 80 Prozent der Westtouristentarife angehoben. Folge: Sie bleiben leer.

Daß den hohen Preisen kein entsprechender Service gegenübersteht, verwundert nicht, kann man doch die Zahl privater Hotels in Polen an den Fingern einer Hand abzählen. Was Ausländerhotels angeht, ist die Staatsfirma Orbis praktisch Monopolist. Gegen durchschnittlich 100 DM pro Nacht gibt es in allen Hotels die gleiche Einheitsküche, ungelüftete Zimmer, nichtfunktionierende Telefone und Fernseher sowie Kellner, die sich bei der Rechnung gern mal um einige hundert Prozent „verrechnen“. Vielleicht ändert sich daran etwas, wenn Orbis, wie die Regierung plant, demnächst privatisiert wird.

Mehr Hoffnung verbinden viele allerdings mit ausländischen Investitionen. Allein in Warschau bauen zur Zeit französische und österreichische Unternehmen drei Hotels. Das polnische Touristikunternehmen Poltur plant, im ganzen Land insgesamt dreißig Pensionen zu bauen. Mit dabei: Die bekannten Firmen Pullmann und Marianna Hotels aus Frankreich. Mit diesen Investitionen soll zugleich ein Trend gebrochen werden, der in Polen häufig auf Kritik stieß: der Bau von Hotels für Reiche. Zuletzt entstand ein solcher Streit, als ein Westberliner Unternehmer das Warschauer Gromada-Hotel übernehmen wollte. Bisher war es überwiegend von polnischen Gästen, besonders aus den ländlichen Gegenden, besucht worden. Bauernvertreter befürchteten, daß daraus beim Zustandekommen des geplanten Joint-ventures ein Objekt für Deviseninhaber würde. Inzwischen gibt es allerdings zahlreiche Projekte, billigere Hotels zu bauen. So etwa das von der österreichischen Firma Rogner geplante Hotel in Warschau, das ausdrücklich kein Luxushotel werden soll. Auch der Club Mediteranee will einsteigen - mit Ferienzentren in Mazuren.

Während in vielen Urlaubsorten die Hotels, Pensionen und Ferienhäuser wegen Mißmanagement und Preistreiberei leer bleiben, vergibt Polen ungeahnte Chancen, aus dem Tourismus Gewinn zu schlagen. Eine der von Ausländern bevorzugten Urlaubsgegenden ist die Danziger Bucht mit der Halbinsel Hel. Doch täglich gibt es von Danzig aus nur ein Schiff in Richtung Hel. Und dort gibt es weder ein ordentliches Restaurant noch ein Hotel. Ähnlich sieht es in vielen reizvollen Gegenden des Landes aus. Bis zum Jahr 2000 müßten mindestens 30.000 neue Hotelbetten entstehen, allein 6.000 davon in Warschau, so die Touristikabteilung des Binnenhandelsministeriums. Offen ist allerdings, ob diese Rechnung nicht ohne den Gast gemacht ist: Zunächst bleiben zumindest die polnischen Urlauber zu Hause. Die Kosten eines Ferienaufenthaltes am Meer nähern sich in manchen Gegenden nämlich bereits denen in westlichen Urlaubsländern. Ganz andere Sorgen haben dagegen Reisende in den ehemaligen Bruderländern: Von individuellen Reisen nach Bulgarien wird abgeraten - die Versorgung ist so schlecht, daß fast alle Lebensmittel rationiert sind, Karten gibt es aber nicht für Ausländer. Davon abgesehen kostet eine Woche im Hotel dort auch bereits über eine Million Zloty. In die Tschechoslowakei geht's trotz polnischer Proteste nach wie vor nur per beglaubigter Einladung oder mit einem offiziellen Reisebüro, das gleiche gilt für die UdSSR. Kein Wunder, daß der Touristenstrom innerhalb der RGW-Länder zurückgeht, während zugleich immer mehr Westtouristen gen Osten aufbrechen.

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