Bald Ende der LKW-freien Zeiten

■ Österreich, Italien und Bayern wollen die Alpenblockaden aufheben / Am Wochenende sollen wieder Laster über die abgesackte Inntalbrücke rollen / Schweiz soll „aktuellen Notstand“ beseitigen helfen

Aus Brüssel Michael Bullard

Die Trucker können aufatmen: Schon bald können sie wieder wie gewohnt über die Alpen brettern. Die Blockade der Alpen durch Österreich, Italien und Bayern soll schon in den nächsten Tagen aufgehoben werden - vorbehaltlich der endgültigen Zustimmung der Anrainerstaaten und Bundesländer, wie die Verkehrsexperten der EG in Brüssel gestern vorsichtig einschränkten. Noch steht der Kompromiß auf wackeligen Füßen, den die Verkehrsminister Italiens, Österreichs, der Bundesrepublik und der Niederlande zusammen mit Vertretern Bayerns, Vorarlbergs und Südtirols unter Vorsitz von EG-Verkehrskommissars Van Miert am Montag abend in Brüssel ausgehandelt haben.

Die österreichische Regierung will zum Wochenende die beschädigte Inntalbrücke bei Kufstein wieder teilweise für den Verkehr freigeben. Nachdem im Juli ein Pfeiler der Wildpichler Brücke abgesunken war, mußten die Inntalautobahn und die parallel über die Brücke führende Bundesstraße gesperrt werden. Da die Bundesstraßenbrücke nur geringfügig beschädigt ist, soll sie während einer Testphase ab 1. September von vorerst täglich 1.500 statt der ursprünglichen 4.000 Lastwagen passiert werden können. Wenn die Brücke der Belastung standhält, wollen die österreichischen Behörden ab Mitte September bis zu 2.500 und ab Januar 1991 sogar 3.000 LKWs zulassen.

Im Gegenzug werden Bayern und Italien die ihrerseits installierten Grenzblockaden aufheben. Damit stünden der Achenpaß (in Süd-Nord-Richtung) und der Fernpaß (in der Gegenrichtung) dem LKW-Verkehr als zusätzliche Ausweichrouten wieder offen. Da das österreichische Bundesland Vorarlberg auch den gesperrten Arlbergpaß freigeben will, scheint der Streit um den Alpentransit vorläufig entschärft.

Um zum Status quo ante (4.000 LKWs täglich) zurückzukehren, sollen die österreichischen Behörden allerdings nach dem Willen der EG auch noch den Lofer-Paß für 300 bis 400 LKWs täglich freigeben. Dieser Forderung hat der österreichische Verkehrsminister Streicher bislang nicht zugestimmt. Weiterhin ist die Haltung der Schweizer in dem Konflikt noch unklar; der bayrische Innenstaatssekretär Beckstein (CSU) hatte am Montag verlangt, daß die Schweiz zur „Bewältigung des aktuellen Notstands zumindest vorübergehend bereit sein müßte, ihre Beschränkungen für den Schwerlastverkehr aufzuheben“. Unverhohlen machten auch die Verkehrsexperten der EG gestern deutlich, daß die Schweiz „endlich ihre naturgegebenen Verpflichtungen erfüllen“ müsse. Schließlich würden 40 Prozent des LKW-Verkehrs, der normalerweise die Alpen im Gebiet der Schweiz durchqueren könnte, über den Brenner-Paß umgelenkt. Allerdings waren die Schweizer bei der Krisensitzung nicht vertreten; aber heute steht das Thema beim Schweizer Bundesrat auf der Tagesordnung. Beobachter vermuten, daß die Schweizer Behörden als Zeichen ihrer Solidarität anbieten könnten, die Nahverkehrsreisenden im Einzugsgebiet des Gotthard-Tunnels in Busse zu setzen, um so vorübergehend mehr Kapazität für LKW-Transporte durch den Tunnel freizumachen. Außerdem könnten viele Lastwagen, die auf dem Rückweg von Italien leer fahren, auf die Schweiz ausweichen, wo eine Obergrenze von 28 Tonnen Gesamtgewicht für Lastwagen gilt. Langfristig, so van Miert, soll das Problem durch ein „umfassendes Abkommen“ mit Österreich und der Schweiz gelöst werden.