West-Justitia für alle

■ Nach dem Beitritt im Oktober werden Ostberliner Gerichte aufgelöst Ostberliner Richter und Staatsanwälte werden auf Probe übernommen

Berlin. Ab 3.Oktober, null Uhr, wird kein Angeklagter und kein Kläger mehr vor ein Ostberliner Gericht müssen. Justizsenatorin Jutta Limbach (SPD) kündigte gestern an, daß mit dem Beitritt der DDR die Westberliner Gerichte für Gesamt-Berlin zuständig sein werden - eine Sonderregelung für die künftige Hauptstadt ist mit dem Bundesjustizministerium vereinbart. Mit dem Ministerium für Justiz der DDR sei die Sonderregelung abgesprochen. In Gesamt-Berlin wird es mit dem Beitritt ein einheitliches Recht geben.

Die Richter und Staatsanwälte der Ostberliner Justiz werden nicht automatisch übernommen. Nach den Richtlinien des Einigungsvertrages werden sie zum Proberichter ernannt, wenn sie einen Richterwahlausschuß erfolgreich passiert haben. Der Ausschuß überprüft, ob die Richter unter dem SED-Regime menschenrechtsverletzende Entscheidungen getroffen haben.

In der Probezeit müssen die übernommenen Richter und Staatsanwälte nachweisen, daß sie über gleichwertige fachliche Kompetenzen verfügen wie die Kollegen aus dem Westen. Fortbildungsmaßnahmen werden sie dabei unterstützen. Die Richter sollen im Wesentlichen beim Landgericht sowie beim Verwaltungsgericht als Beisitzer und beim Amtsgericht als Vorsitzende eingesetzt werden. Staatsanwälte sollen bei der Staatsanwaltschaft des Moabiter Landgerichts im Status eines Proberichters eingesetzt werden. Wenn nachträglich bekannt wird, daß Richter und Staatsanwälte menschenunwürdigen Interessen des SED-Regimes dienten, werde ihre Berufung zurückgenommen, betonte Limbach.

Die Ostberliner Vertreter von Justitia werden nicht das gleiche Geld verdienen wie ihre Westberliner Kollegen. Zunächst werden sie besoldet wie die Kollegen in den fünf ehemaligen DDR-Ländern. Bis Ende des Jahres sollen die Juristen aus dem Haushalt des Magistrats bezahlt werden.

Auf keinen Fall brauchen die neuen Kollegen aus dem Osten Bange haben, daß sie nicht mehr gebraucht werden. Im Ostteil Berlins arbeiten bisher 120 Richter und 80 Staatsanwälte. In West-Berlin sind es 980 Richter und 215 Staatsanwälte. Mit dem neuen Recht werden auch Ost-Berlins Bürger mehr Richter und Staatsanwälte benötigen als bisher. Limbach kündigte gestern an, Personal des nichtrichterlichen Bereiches insbesondere Schreibkräfte - zu übernehmen.

Dirk Wildt