: Nicht automatisch nach zwei Jahren die Indikationslösung
■ Wir hoffen, daß es nach zwei Jahren Erfahrung keine Schwierigkeit mehr sein wird, die Fristenregelung durchzusetzen
INTERVIEW
Renate Schmidt ist Vorsitzende der Arbeitsgruppe „Gleichstellung von Mann und Frau“ und stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion.
taz: Die Straffreiheit für Frauen aus der Bundesrepublik, die im Gebiet der DDR abtreiben, hat die SPD ja nun durchgesetzt. Jetzt geht es um die Übergangsfrist. Was ist für die SPD an diesen zwei Jahren, die die Unionsparteien vorschlagen, nicht akzeptabel?
Renate Schmidt: Es ist nicht so, daß die zwei Jahre nicht akzeptabel wären. Aber wir haben ja keine Sicherheit, daß wir bis dahin ein vernünftige Lösung durchsetzen können
-nämlich eine Lösung, die Frauen nicht kriminalisiert und tatsächlich weniger Schwangerschaftsabbrüche erreicht. Und dann kann es nicht sein, daß die Konsequenz der Nichteinhaltung dieser Frist bedeutet, daß wir dann automatisch die bisherige Indikationslösung der Bundesrepublik weitergelten lassen.
Ich sehe auch keinerlei Rechtfertigung gerade im Falle des Schwangerschaftsabbruches eine kürzere Frist als sonst im Einigungsvertrag vorzusehen. Eine Differenzierung im Sinne einer Beschränkung beim Schwangerschaftsabbruch könnte als Indiz für eine Verfassungswidrigkeit gewertet werden. Das können wir nicht zulassen.
Aber was heißt automatisch? Es gibt doch den Gesetzgeber. Warum kann die SPD nicht jetzt die Fristenregelung ins Parlament einbringen?
Also ich behaupte, daß es uns nicht gelingen kann, in den drei Sitzungswochen, die wir noch zur Verfügung haben, ein gutes Gesetz durchzusetzen, das Beratungsangebote - das Angebote unterstreiche ich dreimal dick - sicherstellt, und ein Aufklärungskonzept sowie Hilfen mit Rechtsanspruch einheitlich für Gesamtdeutschland und selbstverständlich die Fristenregelung durchzusetzen.
Sie bezogen sich aber jetzt auf die noch laufende Legislaturperiode. Aber was ist dann? Es gibt doch wirklich eine breite gesellschaftliche Mehrheit für die Liberalisierung. Warum geht die SPD nicht in die Offensive?
Wir sind schon in die Offensive gegangen. Unsere Anträge zur Sexualaufklärung und für ein Sofortpogramm für schwangere Frauen sind bereits vor Monaten eingebracht. Jetzt wollen wir Festlegungen für eine künftige Regelung. Doch wir müssen sehen, was es für Tendenzen gibt. Es gibt Teile in der FPD, die wollen eine Pflichtberatung, es gibt Teile in der CDU, die würden so einen Weg mitgehen, vor allem einige Frauen, und für andere ist es indiskutabel. Es gibt Teile bei den Grünen, für die kommt eine Fristenregelung nicht infrage, die wollen die ersatzlose Streichung des § 218.
Und bei uns gibt es wahrscheinlich auch welche, die sagen, Zwangsberatung ja. Wir wollen sichergehen, daß wenn uns die Fristenregelung nicht gelingt in diesen zwei Jahren und wenn andere Themen dann plötzlich wieder an Wichtigkeit gewinnen, daß dann die Frauen nicht die Leidtragenden sind. Das ist der Knackpunkt.
Wir haben gesagt, daß wir die Selbstverpflichtung des Parlaments auf zwei Jahre akzeptieren. Aber diese Selbstverflichtung bedeutet, wir wollen das, es ist unsere Zielvorstellung.
Wenn wir die Neuregelung nicht erreichen, dann müssen die fünf Jahre gelten. Die CDU/ CSU will aber, daß wir uns damit zufriedengeben, daß nach den zwei Jahren bundesrepublikanisches Recht gilt.
In dem Beharren auf den fünf Jahren steckt da nicht auch das Eingeständnis drin, bei dieser Wahl bekommen wir keine Mehrheit, wir hoffen auf die nächste?
Nein. Wir haben am Anfang sogar über noch längere Fristen diskutiert. Wir haben das Gefühl, wenn die Menschen sehen, daß diese Fristenregelung in der DDR nicht wahnsinnig fürchterliche Dinge bedeutet und auf keinen Fall schlechter, sondern besser ist als unsere Regelung, daß sich allein durch das faktische Erleben, Bewußtsein, und auch das Bewußtsein der männlichen Politiker, so verändert, daß es keine Schwierigkeit mehr sein wird, die Fristenregelung durchzusetzen.
Sie rechnen mit einem Kompromiß?
Ich bin dabei vergleichsweise optimistisch, daß es uns auch innerhalb von zwei Jahren gelingt, eine vernünftige Regelung zu finden.
Interview Helga Lukoschat
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