: „La Belle„-Akten noch immer unvollständig
■ Die gestern angelieferten Akten sollen „vorsortiert“ worden sein / Akten in „untypischem“ Zustand
West-Berlin. Das Verwirrspiel um die Stasi-Akten zum Attentat auf die Westberliner Discothek „La Belle“ geht weiter. Nachdem vor zwei Tagen - etwas voreilig - der Totalverlust der wichtigsten Akten auf dem Weg von der Normannenstraße zum Zentralen Kriminalamt (ZKA) in Ost -Berlin gemeldet wurde, einen Tag später die Akten dann doch da waren, geht die Westberliner Kripo nach einer ersten Sichtung jetzt davon aus, daß sie es nur mit Fragmenten zu tun hat. Gegenüber der taz gab der Sprecher des Westberliner Innensenators, Thronicker, an, es habe den Anschein, als seien die entscheidenden Aktenkomplexe „Lux“, „Box“ und „Ashur“ die sich mit der lybischen Botschaft und einem Mord an einem verdächtigen Araber befassen, vorsortiert worden. Die Akten seien in einem „untypischen“ Zustand, die Paginierung fehle und stattdessen habe man neue Aktenordner gefunden, die nicht aus den originalen Stasi-Beständen stammen. Seit Mai hätten Mitarbeiter des ZKA Zugang zu den Akten gehabt und diese gesichtet. Unter anderem daraus speist sich der Verdacht des Staatsschutzes West, es werde ihnen nach wie vor ein relevanter Teil der Stasi-Recherchen vorenthalten.
Die Westberliner Gewerkschaft der Polizei hat den gesamten Vorgang als „skandalös“ gerügt. Ihr Landesvorsitzender von Walsleben beschwerte sich vor allem über die Mitarbeiter im Ostberliner ZKA, die nicht die Gewähr dafür bieten würden, „daß Ermittlungen, die alte SED-Genossen belasten, korrekt erfolgen“. Es sei unerträglich, daß DDR-Innenminister Distel „seit Monaten und offensichtlich auch weiterhin ehemalige überzeugte SED-Mitglieder nicht aus öffentlichen Führungspositionen entfernt habe“.
Die jetzige Aufregung der Westberliner Sicherheitsbehörden über die vermuteten Manipulationen im Osten stehen allerdings in einem deutlichen Kontrast zu dem großen Schweigen angesichts der Rücksichtnahmen bei den hiesigen Ermittlungen gegenüber dem eigenen Alliierten. Trotz öffentlicher Dementis war aus Insiderkreisen zu erfahren, daß der Staatsschutz möglichst nichts zutage fördern sollte, was der US-Theorie vom Ghaddafi-gesteuerten Anschlag widersprochen hätte.
JG
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