Betonmischmasch in Greifswald

■ Zur „Zement-Streckung“ den neuen Blöcken der Atomzentrale Chemikalien zugesetzt / Wie reagiert Beton-Cocktail auf die Strahlung? / Schleswig-Holstein will Beteiligung an Genehmigungsverfahren

Berlin (dpa/taz) - Die Meldungen über Schlampereien in der Atomzentrale Greifswald reißen nicht ab. Beim Bau der neuen Reaktorblöcke V bis VIII sollen dem verwendeten Beton chemische Zusätze beigemischt worden sein, um Zement einzusparen. Wie der neue Beton-Cocktail auf radioaktive Bestrahlung reagiert, wurde nie untersucht. Das berichtete der Norddeutsche Rundfunk (NDR) unter Berufung auf Aussagen eines ehemaligen Betonbaumeisters aus der DDR und eines ungarischen Nuklear-Ingenieurs.

Drei der vier alten Blöcke des AKW Greifswald stehen derzeit aus Sicherheitsgründen still. Block I wird jedoch bis auf weiteres weiterbetrieben. Die Kraftwerksleitung will darüberhinaus mindestens zwei der vier maroden Meiler nach einer Rekonstruktion wieder in Betrieb nehmen. Bundesreaktorminister Töpfer erklärte jedoch am Samstag in einem Zeitungsinterview, er sei der Meinung, auch Block I müsse „nun abgefahren“ werden.

Die noch im Bau befindlichen Blöcke sollen nach und nach mit Siemens/KWU-Leittechnik ausgestattet und dann nach bundesdeutschem Atomrecht betrieben werden. Nach den Informationen des NDR ist jedoch auch beim Bau dieser Anlagen in allen wesentlichen Bereichen unkorrekt gearbeitet worden.

Unterdessen besteht der Kieler Energieminister Günther Jansen (SPD) auf einer Beteiligung Schleswig-Holsteins an den weiteren Genehmigungsverfahren für die Atomkraftwerke in Greifswald und Stendal. Jansen begründet sein Ersuchen mit der regionalen Nähe der DDR-Meiler. Das Atomgesetz schreibe eine Beteiligung angrenzender Länder in Form von Informationen und Konsultationen vor. Der Kieler Minister verlangt einen Sicherheitsbericht und eine Kurzbeschreibung des Blocks V der Anlage. Dieser Block war bereits einmal in den Probebetrieb genommen und nach einem schweren Zwischenfall im November 1989 abgeschaltet worden. Selbst im Stillstand ist dieser Block und seine Bedienungsmannschaft für Überraschungen gut: Im Sommer hatte es bei einem Bedienungsfehler ein „außergewöhnliches Ereignis“ gegeben. Außerdem sollen die zuständigen DDR-Behörden den Kieler Minister über die Verfahrenslage beim AKW Stendal unterrichten, wo bei den ersten beiden Blöcken bereits die Rohbauten im fortgeschrittenen Stadium seien.

gero