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Schieber von Atomtechnik vor Gericht

■ Ex-Manager von Atomfirma soll kerntechnische Anlagen illegal nach Pakistan verscherbelt haben

Hanau (taz) - Vor der 5. Großen Wirtschaftsstrafkammer am Landgericht Hanau begann gestern der Prozeß um die illegale Ausfuhr von Atomtechnik nach Pakistan. Angeklagt sind der ehemalige Manager der „Neue Technologie GmbH“ (NTG), Rudolf Maximilian Ortmayer, sowie zwei Handelspartner. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und das Außenwirtschaftsgesetz sowie Untreue zum Nachteil der NTG und Steuerhinterziehung in Millionenhöhe vor.

Laut Anklage soll Ortmayer von 1979 bis 1988 in 42 Fällen gegen das Außenwirtschaftsgesetz verstoßen haben. Ohne Exportgenehmigung habe er über illegale Wege kerntechnische Anlagen nach Pakistan ausgeführt. Hinzu kommen Lieferungen nach Indien und Südafrika. Behilflich bei den Pakistan -Schiebereien soll der Mitangeklagte Peter Finke gewesen sein. Der ehemalige NTG-Berater habe über seine Ortenberger Briefkastenfirma „Physikalisch-Technische Beratung“ (PTB) die illegalen Exporte abgewickelt.

Einen Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz stellt die Lieferung einer Tritiumsammel- und Reinigungsanlage („THS-System“) nach Pakistan 1984 dar. Der mitangeklagte Chemiker Heinrich Weichselgartner, ehemaliger Laborleiter des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik, habe diese Anlage konstruiert und bei der NTG gefertigt. Gemeinsam mit Finke habe Weichselgartner, so Staatsanwalt Rainer Hübner, die Anlage 1985 in Pakistan unter militärischer Aufsicht getestet. Tritium ist für die Herstellung von Atomwaffen wesentlich. Ebenfalls 1984 sollen Ortmayer und Finke reines Tritiumgas nach Pakistan verschoben haben. Außer den zum Atomwaffenbau benötigten Komponenten sollen die beiden zur Brennelementefertigung notwendige Teile wie Sinteröfen, Vakuumschmelzen und Laserschweißanlagen an Tarnfirmen der pakistanischen Atombehörde geliefert haben.

In einer Einlassung zur Person bezeichnete sich der 53jährige Ortmayer als „gesundheitlich und finanziell“ angeschlagen. Seit Anfang des Jahres ist er gegen eine Kaution von 600.000 Mark auf freiem Fuß. Von 1974 bis 1988 war er Geschäftsführer der NTG. Zuvor arbeitete er bei den Atomfirmen Nukem und RBU. Gemeinsam mit Finke (48) und Weichselgartner (55) soll er seinen ehemaligen Arbeitgeber mit überhöhten Rechnungen geprellt haben. Die erschwindelten Summen habe man untereinander aufgeteilt, so Staatsanwalt Hübner. Zudem habe er Steuern in Millionenhöhe hinterzogen und sich von Finkes PTB Provisionen in Höhe von über drei Millionen Mark für die illegalen Geschäfte zahlen lassen. Finke wurde diesen März in Luxemburg festgenommen, als er gestohlene Schecks und Wertpapiere einlösen wollte.

Vor Prozeßbeginn demonstrierten vor dem Landgericht UmweltschützerInnen. Sie warfen dem für den Außenhandel zuständigen Bundesamt für Wirtschaft in Eschhorn Versäumnisse bei der Ausfuhrkontrolle vor. Eduard Bernhard vom Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz, auf dessen Strafanzeige das Verfahren zusammen mit einer anonymen Anzeige wegen Steuerhinterziehung gegen Ortmayer ins Rollen kam: „Der NTG-Prozeß ist nur die Spitze eines Eisberges, wie wir bei den bundesdeutschen Waffenlieferungen an den Irak sehen. Die Verantwortlichen im Bundesamt und der Bundeswirtschaftsminister müssen deshalb genauso wie die Angeklagten im NTG-Prozeß zur Rechenschaft gezogen werden.“

M.B.

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