: Bagdad wirbt in Moskau und Peking
■ Diplomatische Offensive des Irak kurz vor dem Gipfel der Großen in Helsinki / Iran und China um „humanitäre“ Hilfe gebeten / Iraks Außenminister Aziz nennt Gespräche in Moskau „konstruktiv“
Nikosia/ Bagdad/ Moskau (adn/afp/ap) - Der irakische Präsident Saddam Hussein rief übers Fernsehen zur „Befreiung der Heiligen Stätten des Islam“ von Truppen westlicher Staaten im Golf auf und ließ alle Reservisten einberufen. Zur gleichen Zeit suchten seine Diplomaten bei den UNO -Sicherheitsratsmitgliedern UdSSR und China, Iraks Isolation zu durchbrechen. Auch die USA hatten Emissäre losgeschickt: US-Außen- und Finanzminister Baker und Brady waren in der Golfregion und Asien unterwegs, um bei ihren jeweiligen Verbündeten Milliardensummen zur Unterstützung ihrer militärischen wie politischen Aktionen im Golf abzufordern oder zu gewähren. Bis Jahresende rechnen die USA mit insgesamt 10,5 Milliarden Dollar Kosten. In Bonn wird Baker am 15.September erwartet.
Gestern wurde in Bagdad überraschend bekanntgegeben, daß Außenminister Tarik Aziz am Sonntag beim Nachbarn und ehemaligen Erzfeind in Teheran erwartet wird. Am gleichen Tag findet der dritte Gipfel Bush-Gorbatschow in Helsinki statt, bei dem es auch um das Profil einer weiteren gemeinsamen Politik in der Golfkrise geht.
In New York kam der UN-Sicherheitsrat am Donnerstag erneut zu Konsultationen über die Golfkrise zusammen. Dabei wollte UNO-Generalsekretär Javier Perez de Cuellar über seine erfolglosen Bemühungen berichten, Irak zum Einlenken und zur Anerkennung der bislang fünf Golf-Resolutionen des Sicherheitsrates seit Beginn der Aggression gegen Kuwait zu bewegen.
Inwieweit dem sowjetischen Staatspräsidenten Gorbatschow das Einlenken gelungen ist, ließ Tarik Aziz gestern auf einer Pressekonferenz in Moskau offen, lobte jedoch den „konstruktiven“ Charakter der Gespräche, auch wenn „wir unseren eigenen Weg weitergehen“. Im Gegensatz zu den USA und anderen westlichen Ländern sei die Sowjetunion zumindest bereit zu Gesprächen über eine „gerechte Lösung der Probleme der Region“, die seiner Meinung nach nur eine innerarabische sein könne. Aziz bat die Sowjetunion um eine aktivere Rolle bei der Lösung des Konflikts. Zum Abzug aus Kuwait wollte er nicht sagen. „Wir sind bereit, unseren Beitrag zur Lösung des Problems beizutragen, wenn alle Fragen vom UNO -Sicherheitsrat diskutiert werden“, so Aziz.
Der außenpolitische Sprecher der UdSSR, Genadi Gerassimow, meinte gestern nur, die Gespräche seien „kein Schritt zurück“ gewesen. Zum wiederholten Male machte er klar, für die Sowjetunion sei die UNO das beste Instrument zur Konfliktregelung. Er sprach sich gegen ein Ultimatum der Supermächte an Irak aus und erinnerte daran, daß die UNO durch Artikel 47 ihrer Charta die Möglichkeit habe, ein militärisches Stabskomitee einzusetzen.
Die USA sind laut Angaben des Regierungssprechers Marlin Fitzwater „so stark beeindruckt“ von der sowjetischen Kooperation am Golf, daß Washington diese solidarische Haltung mit einer noch auf dem G-7-Gipfel im texanischen Houston so kagetorisch abgelehnten staatlichen Wirtschaftshilfe belohnen wolle. „Wir sind daran interessiert zu helfen, wenn wir können.“ Einzelheiten werde man in Helsinki besprechen.
Der stellvertretende irakische Ministerpräsident Taha Jassin Ramahdan suchte am Donnerstag in Peking neben Verständnis auch um Lebensmittelhilfe, die ihm offenbar gewährt wurde. Eine Sprecherin des chinesischen Außenministeriums hatte gestern jedenfalls gemeint, die Lieferung von Lebensmitteln und Medikamenten sei kein Verstoß gegen das UNO-Embargo. Seit der irakischen Invasion Kuwaits am 2. August hat die chinesische Führung zusammen mit den vier anderen ständigen Mitgliedern des UNO -Sicherheitsrates wiederholt den Abzug der Iraker aus dem Emirat gefordert und für Sanktionen gegen Bagdad gestimmt. Kritisiert wird jedoch die Entsendung amerikanischer Truppen in die Golfregion, worin eine neue Demonstration der „Hegemonie“ gesehen wird.
In Bagdad fand gestern die zweite Gesprächsrunde zwischen Jordaniens König Hussein und dem irakischen Präsidenten statt. Der jordanische Monarch, der von Regierungschef Badran und Außenminister Quassem begleitet wird, war in den vergangenen Tagen zu Gesprächen über eine politische Beilegung der Golfkrise in die Maghreb-Staaten und Länder Westeuropas gereist. Auch die Arabische Liga will am kommenden Montag erneut in Kairo zusammentreffen, selbst wenn ihr der Vorsitzende fehlt. Generalsekretär Chedli Klibi war am Dienstag vom Vorsitz der über der Golfkrise gespaltenen 21köpfigen Staaten-Union zurückgetreten. Klibi bestritt gestern, durch „Druck irgendeines Staates“ gewichen zu sein.
Die Außenminister der USA und Israels, James Baker und David Levy, haben sich geweigert, den israelisch -palästinensischen Konflikt mit Bemühungen um die Entschärfung der Golfkrise in Zusammenhang zu bringen.
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