: Ziemlich abgewixt ins Hansekontor
■ Über einen, der auszieht, die Wirtschaft zu fördern
Gemeldet ist es schon, gewürdigt noch nicht: Die Bremische Bürgerschaft hat einen Verlust anzuzeigen. Wolfgang Klatt, 19 Jahre lang SPD-Abgeordneter, darf sich verändern: Ab Oktober soll er das „Hansekontor Bremen-Rostock“ leiten und den Rostocker Senat in Sachen Wirtschaftspolitik beraten. „Man ist nach 19 Jahren ziemlich abgewixt“, sagt Klatt über Klatt und bedauert es kein bißchen, daß er seine einflußreiche Position als Vorsitzender des Haushaltsausschusses aufgibt, auch wenn er „Grobi da viel Arbeit abgenommen hat“. Jetzt ist er nur noch einem verantwortlich, nämlich dem Bürgermeister. Eigentlich hatte Wirtschaftsförderer Klatt dem Wirtschaftssenator Uwe Beckmeyer unterstellt werden sollen, aber das wollte Klatt nicht: „Ich bin doch länger dabei als Becki. Da laß ich mir doch von dem nichts sagen.“ Wieviel Geld dem Senat das Engegement des neuen Mitarbeiters wert ist, mag Klatt nicht verraten. CDU-Haushälter Günter Klein spricht zwar von einem „fürstlichen Gehalt“, aber das findet Klatt überhaupt nicht: „Ich bin doch kein Abzocker.“
Das Bedauern über Klatts Abgang hält sich derweil durchaus in Grenzen. „Einer der schwierigsten und schmierigsten Typen“, urteilt einer, der manchen Strauß mit Klatt auszufechten hatte. Zusammengefaßte Kritik an dessen Tätigkeit: „Ohne politische Phantasie, einzig darauf bedacht, Grobeckers Dinger durchzuziehen.“
Doch Klatt war nicht nur parlamentarischer Vollstrecker von Grobeckers Willen, er lieferte auch so manchen Stoff für Klatsch. Geradezu sagenumwoben ist Klatts Engagement bei Polen-Reisen auf Kosten der Bremischen Heimstiftung. Da sorgte er als Heimstiftungsvorstand zusammen mit dem CDU -Kollegen Wolfgang Erfurth nicht nur für Kontakte zwischen bremischen und polnischen Altenheimen. In unermüdlichem Einsatz kümmerte sich trotz anstrengender Trinkgelage auch noch um die polnischen Frauen. Überliefertes Motto der sozialpolitisch begründeten Reisen: „Billig saufen und bumsen auf Kosten der Heimstiftung.“
Welch netten Geistes Kind der neue Bremer Rostock -Repräsentant sein kann, belegt auch eine kleine Anekdote aus dem taz-Alltag, die wir gerne als Abschiedsgeschenk zum Besten geben. Da hatte vor kurzem eine Kollegin einen Essenstermin mit Herrn Klatt abgesagt. Klatts Reaktion: „Das machts Du doch nur, weil Du Angst hast, feucht zu werden.“
Wie meint doch Klatt über Klatt nach 19 Jahren Parlament: „Manche Dinge verbiegen den Charakter.“ Und warum geht er nach Rostock: „Weil die Menschen da noch nicht ganz so versaut sind wie hier.“
Rosi Roland
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