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Gorbatschow sagt ja - aber nur mit der UNO

■ Wenn sich morgen die Staatschefs der USA und der Sowjetunion in Helsinki treffen, wird Gorbatschow zwar erstmals anbieten, eigene Truppen in den Golf zu entsenden - aber nur unter UNO-Oberbefehl. Und dem wird Bush seine Boys nicht unterstellen wollen.

Vor dem Golf-Gipfel zwischen Bush und Gorbatschow

Die Sowjetunion wird sich mit einem eigenen Truppenkontingent an einer internationalen Streitmacht im Golf beteiligen, sofern diese unter dem Kommando der UNO steht. Diese Mitteilung des sowjetischen Außenamtssprechers Gerassimow hat dem alten sowjetischen Vorschlag, den Militärausschuß des Weltsicherheitsrates zu reaktivieren, zusätzliches Gewicht verliehen. Daß allerdings Bush einer Unterstellung der USA-Truppen unter eine Streitmacht, die lediglich im Rahmen der UNO-Resolutionen operiert, zustimmen wird, gilt in Washington als ausgeschlossen.

Kreml-Watcher und sowjetische Experten meinen, daß es in Helsinki nur zu einer gemeinsamen, in scharfem Ton gehaltenen Verurteilung Husseins kommen wird.

Eine solche Erklärung wiederum wird die sowjetische Nahost -Diplomatie nicht von ihrem Rollenkonflikt befreien: Sie will vermitteln und ist gleichzeitig Partei. Ihre Forderung nach Wiederherstellung des Status quo ante, also von Souveränität und Unabhängigkeit Kuwaits, ist unzweideutig.

Die Sowjetunion, so 'Tass‘, möchte aber die Kontakte zur Hussein nicht abreißen lassen. „Gorbatschow ist die beste Pipeline zu Bush, die Saddam sich wünschen kann, das Problem ist nur, daß kein Öl durchfließt“ - mit diesem Aper?u wird in Moskau der Fehlschlag der bisherigen sowjetischen Vermittlungsbemühungen charakterisiert.

Iraks Botschafter Jassim Hussein erklärte immerhin nach dem Treffen Gorbatschow-Aziz: „Wir hoffen, daß die Sowjetunion weiterhin ihre Rolle als Friedenstifter spielen und ein loyaler Freund der Araber bleiben wird.“

„Es gab nichts neues“, teilte Außenamtssprecher Gerassimow nach dem Treffen mit, „wir hatten Hoffnungen, aber wurden enttäuscht.“ Gerassimow wies strikt ein vom Irak ins Spiel gebrachtes Junktim zwischen der Kuwait-Krise und dem Konflikt zwischen Iraelis und Palästinensern zurück. „Es geht um nichts als den sofortigen, vollständigen und bedingungslosen Rückzug aus Kuwait.“

Die sowjetischen Kommentatoren warnen denn auch die Irakis vor einer Fehlkalkulation der SU-Positionen. So schrieb Leonid Koryawin in der Regierungszeitung 'Isvestja‘, Saddam Hussein habe den grundlegenden Wandel in den internationalen Beziehungen nicht wahrgenommen, wenn er glaube, einen Keil zwischen die USA und die UdSSR treiben zu können.

„Bagdad“, schrieb Koryawin, „scheint geglaubt zu haben, wir würden nicht die Besetzung und Annexion des Kuwait, sondern die Landung von USA-Truppen in Saudi-Arabien als Agression betrachten. Wäre das alles vor ein paar Jahren passiert, so könnte er Recht behalten haben. Jetzt aber hat die Krise das Vertrauen zwischen den Supermächten gestärkt.“ Weder die USA noch die UdSSR, schloß Koryawin, würden aus der schwierigen Lage Vorteile ziehen, vielmehr eng zusammenarbeiten, um sie zu meistern.

Wie schon gemeldet, haben die USA mit dem Scheckheft gewinkt, wenn die Sowjetunion ihre Militärberater aus dem Irak zurückziehen und sich dem internationalen Militäraufmarsch am Golf anschlösse. Hatte Gorbatschow noch am Mittwoch gegenüber dem US-Politiker Dole erklärt, die sowjetische Handlungsfreiheit bezüglich der Berater sei wegen der hohen Zahl der sich im Irak aufhaltenden Sowjetbürger beschränkt, hat Schewardnadze am Freitag in Tokio den Abzug der Berater „im Einvernehmen mit dem Irak“ für möglich erklärt.

Dennoch wird die Sowjetunion nicht vollständig auf die amerikanische Irak-Politik einschwenken. Andrej Kortunow vom Moskauer Institut für Amerika-Studien hat es so zusammengefaßt: „Die unterschiedliche Herangehensweise der beiden Supermächte erklärt sich aus ihrer unterschiedlichen Interessenlage. Die erste Option der USA ist es, Saddam Hussein zu stürzen. Für uns ist das nicht so einfach. Wir haben seit langem enge Beziehungen zu Saddam Hussein, er schuldet uns eine Menge Geld. Es gibt keine Garantie, daß sein Nachfolger diese Schulden bezahlen würde“.

Christian Semler

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