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Grüne Einheit erst ab Ende des Jahres

■ Sonderparteitag in Magdeburg beschließt, sich Zeit zu lassen mit der Vereinigung mit den West-Grünen / Zähe Debatte um Namensnennung, sichere Listenplätze für Bürgerbewegungen / „Grünes Jugendforum“ wird in die Ehe mit West-Grünen eingebracht

Aus Magdeburg Jürgen Voges

Daß die „Grüne Partei der DDR“ am nächsten Tag gleich zweimal ihren Namen ändern würde, das ahnten die 300 Delgierten der DDR-Grünen noch nicht, als sie am Freitag zum Sonderparteitag in Magdeburg anreisten. Eigentlich war der geplante Zusammenschuß der Ost- und der West-Grünen, die gemeinsame „Politische Zukunft im vereinigten Deutschland“, das Hauptthema des Parteitages. Doch nach den Rechenschaftsberichten mußten sich die Delegierten dann am Samstag morgen zunächst vier Stunden lang mit dem Komplex „Umbenennung der Partei“ befassen.

Fast einmütig taufte sich am Ende die „Grüne Partei der DDR“ für die Zeit vom 15. Oktober bis zum 3. Dezember in „Die Grünen/Bündnis 90“ um. Doch schon am Samstag abend wurde dieser Beschluß wieder umgeworfen: Mit sofortiger Wirkung nahm die Grüne Partei den Namen „Die Grünen“ an, nur die einzelnen Landesverbände sollen nach diesem zweiten Beschluß zwischen den DDR-Landtags- und den gesamt deutschen Wahlen den Namen „Die Grünen/Bündnis 90“ tragen.

Schon zusammen mit der ersten Namensänderung hatte sich der Parteitag für „offene Listen der Grünen Partei der DDR bei den gesamtdeutschen Wahlen“ ausgesprochen. Auf den Listen sollen alle Bürgerbewegungen zumindest einen sicheren Platz erhalten, und für den doppelten Wechsel des Namens bildeten natürlich die Bündnisverhandlungen zwischen den Bürgerbewegungen und den Grünen den Hintergrund und die Hindernisse, die der Wahlrechtsstaatsvertrag einer gemeinsamen Kandidatur bei den gesamtdeutschen Wahlen in den Weg legt: Bei der letzten Runde der Bündnisverhandlungen am Donnerstag in Berlin hatten sich die beiteiligten Organisationen auf die gemeinsame Kandidatur auf Listen der Grünen Partei unter dem Namen „Die Grünen/Bündnis 90“ geinigt. Der Bundeswahlleiter hatte vorher signalisiert, daß eine Liste unter diesem Namen als schon in der Volkskammer vertretene „DDR-Altpartei“ gelten würde, für die man nicht noch einmal Unterschriften sammeln muß.

Abgeschwächt und nur noch auf die Landesverbände bezogen wurde die Namensänderung dann, weil es beim Neuen Forum weiterhin Vorbehalte gegen „Die Grünen/Bündnis 90“ als Bezeichnung der Bündnisliste gibt. Der Parteitag hielt am Ende eine Umbenennung der Gesamtpartei nicht mehr für notwendig.

Das ganze Hin und Her um Namen und Wahlbündnis, auch die verzwickten Geschäftsordnungsdebatten am Samstag nachmittag um die Vereinigung mit den West-Grünen ertrugen die 300 Delgierten in Magdeburg mit weit mehr Ruhe und Gelassenheit, als man es von Parteitagen der bundesdeutschen Grünen kennt. Widerstand gegen eine schnelle Grün-Grüne Vereinigung, wofür in Magdeburg auch der westdeutsche Bundesvorstand in Gestalt von Jürgen Maier plädierte, kam vor allem aus dem Landesverband Sachsen. Die Sachsen-Grünen verwiesen auf die „gemeinsamen Wurzeln“ der DDR-Grünen und der Bürgerbewegungen und wollten sich vor einer einer Vereinigung mit einer Groß-Organisation wie den West-Grünen zunächst mit diesen Bewegungen auseinandersetzen.

Nach ausgiebiger Debatte entschied der Parteitag schließlich mit 225 Ja-Stimmen bei 24 Nein-Stimmen und 15 Enthaltungen, mit den West-Grünen „von Ende 1990 an in einem gemeinsamen Bundesverband“ zusammenzuarbeiten. Im Frühjahr 1991 soll außerdem ein Programmparteitag der dann schon vereinigten Grünen stattfinden. Vollzogen werden soll der Zusammenschluß durch Beitritt der einzelnen Landesverbände der DDR-Grünen zu den Bundes-Grünen.

Als Novum auch für die bundesdeutschen Grünen wird aus der DDR in die neue Gesamtpartei eine eigene Grüne Jugendorganisation eingebracht. Als „parteinahe Jugendorganisation“ der DDR-Grünen wurde in Magdeburg eine „Grün-alternatives Jugendforum“ anerkannt, dessen weiteren Aufbau die DDR-Grünen jetzt finanziell unterstützen werden. Im Grünen-Bundesvorstand werden die bisherigen DDR -Landesverbände nach der Vereinigung durch Christine Weiske aus Berlin und durch Friedrich Heilmann aus Templin vertreten sein, die beide schon jetzt dem DDR-Vorstand angehören. Beide BewerberInnen für die Bundesvorstandsposten erhielten schon im ersten Wahlgang die notwendige absolute Mehrheit der Delgiertenstimmen.

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