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DDR-Rundfunk weiter unter Drück

■ Hörfunkchefs rechtfertigen Ausstrahlung von RIAS-Programmen auf DT64-Frequenzen/ Länderhoheit sei dadurch nicht angetastet worden/ Weitere Zusammenarbeit geplant

Berlin. Es sei »Gefahr im Verzuge« gewesen, rechtfertigte gestern Helmut Drück, Intendant des RIAS, die blitzartige Umstellung von zwölf DT64-Frequenzen auf RIAS am Wochenende. Worin diese Gefahr eigentlich bestanden habe, räumten Drück und der Chef des DDR-Rundfunks, Christoph Singelnstein, erst nach mehrmaligem Nachfragen ein: Man habe die gesamte Vereinbarung in Gänze durchsetzen wollen. Als dann am Donnerstag abend die ersten Informationen nach außen »durchtröpfelten«, sei man unter Handlungsdruck geraten und habe den Ausstrahlungstermin zunächst vom geplanten 15. September auf Samstag, den 8.9. um vier Uhr früh und dann sogar auf Freitag abend, 20 Uhr vorverlegen müssen.

Beide Rundfunkchefs räumten ein, daß diese Verfahrensweise wohl »etwas undemokratisch« gewesen sei. Vier Wochen war zwischen dem RIAS und dem DDR-Rundfunk verhandelt worden, nach außen geheim, eine der wichtigsten Vereinbarungen aber ließ sich dann doch nicht durchsetzen: Am Samstag abend mußte der RIAS die zwölf vom ihm belegten Frequenzen des Jugendradios wieder räumen, verscheucht von Medienminister Gottfried Müller, der im Vorfeld von dem Coup genausowenig informiert worden war wie der Medienausschuß der Volkskammer und das Postministerium. Umgeschaltet worden, so Singelnstein gestern, waren die Frequenzen durch Techniker des Rundfunks der DDR. Auch der RIAS hat seinerseits nicht alle für ihn zuständigen Stellen ausreichend informiert: »Aus Zeitgründen«, so Drück, habe sich der RIAS, offiziell ein Sender der amerikanischen Informationsagentur 'USIA‘, nicht mit der amerikanischen Seite abgestimmt, von »dafür Zuständigen« aus dem Ministerium für innerdeutsche Beziehungen und dem Berliner Senat seien jedoch »Zeichen der Zustimmung« gekommen. In jedem Fall sei die zum medienpolitischen Skandal geratene Frequenzumschaltung in dem Bemühen erfolgt, »mit Phantasie einen Gestaltungsraum zu nutzen, der rechtlich noch nicht fixiert ist«. Singelnstein bestätigte, daß im Rahmen der Auseinandersetzungen am Wochenende zwischen ihm und DT64 ein Vertrag ausgehandelt worden sei, wonach dem Jugendradio 400.000 Mark für notwendige Abfindungen zukommen sollen, wenn es ihm gelingt, bis zum 31. März nächsten Jahres in einem Privatunternehmen unterzuschlüpfen. Ebenfalls Bestandteil des Vertrages ist, daß DT64 künftig Verhandlungsautonomie gegenüber privaten Anbietern hat. Die nämlich klopfen schon seit geraumer Zeit an die Tür — laut Singelnstein für ihn der entscheidende Grund, ausgerechnet große Teile des Jugendsenders mit seinen insgesamt rund 1,5 Millionen Hörern zur Disposition zu stellen. Da es dort bereits intensive Kontakte zu privaten Anbietern gibt, habe er befürchtet, daß sich ein privater Sender hier überregional etablieren und somit einen Konkurenzvorteil verschaffen könnte. Da die Chefredaktion des Senders ausdrückliches Interesse an einer Privatisierung in Berlin-Brandenburg geäußert hätte, sei dieser Raum durch den Deal mit RIAS auch nicht angetastet worden. Im übrigen sicherte Singelnstein, der vermutlich ab dem 3. Oktober im Zuge der Vereinigung von seinem Posten als Chef des DDR-Rundfunks enthoben wird, dem Jugendradio zu, 55 der dort tätigen Journalisten in den DDR-Rundfunk oder die künftigen Landessender zu übernehmen.

Selbst wenn diese an Piraterie grenzende Ausstrahlung von RIAS- Programmen auf Frequenzen des DDR-Jugendrundfunks mißlang — die Zusammenarbeit zwischen Drück und Singelnstein ist weiter gefaßt als es zunächst schien: Wie es gestern hieß, sei man übereingekommen, gemeinsame Arbeitsgruppen und Projektredaktionen zum Aufbau eines nationalen Hörfunkkanals in Berlin zu bilden. Schwerpunkte werden zunächst im Kultur- und Hörspielbereich liegen. Singelnstein: »Ich möchte, daß Ost- und Westkollegen miteinander arbeiten.« Auf die Befürchtung des Betriebsrates und der IG Medien, daß der »in Jahrzehnten erworbene gute Ruf des RIAS jetzt angeschlagen« sei, reagierte Drück gelassen: Nicht der Ruf des RIAS, sondern allenfalls des Intendanten sei dadurch geschädigt worden. Martina Habersetzer

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