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Kampf im Dom

■ Mahlers „Zweite“ in der Domakustik

Zur Zeit wird der versonnene Hörer von Radio Bremen 2 kulturell doch recht unsanft aus seinen Träumen gerissen: Zur bestbezahlten Werbezeit, erklingt markige Marschmusik, geblasen und gegeigt von einem Riesenorchester. Nein, nicht join the army lautet die message — der Kundige weiß: Hier läßt Gustav Mahler bleiches Gebein zum letzten Appell aufmaschieren. Seine „Zweite“, die Auferstehungssinfonie, läßt Radio Bremen — als Werbespot für das Konzert am Freitag — erklingen, mit Klaus Bernbacher am Pult, vor ihm die Nordwestdeutsche Philharmonie mit Brahms-Chor und dessen westfälischen Schwester-Ensembles: im Dome zu Bremen.

Mahlers knallig-filigranes, hysterisch-lyrisches, sarkastisch- hymnisches Weltendrama im Kampfe mit des Domes plattwalzendem Nachhall, wie soll das funktionieren?

Klaus Bernbacher meint dazu:

„Mit der Domakustik haben wir bei Radio Bremen schon einige Erfahrung. Bei den 'Langen Nächten für...' wurde ja schon an verschiedenen Spielstätten musiziert. Ausgespart blieb bis jetzt der Hochaltar. Er reizt mich schon seit einiger Zeit. Wir haben uns das lange genau überlegt, wie man ein gewaltiges sinfonisches Werk da aufführen könnte. Wir haben Akustiker beschäftigt, die uns mit Computer exakt ausgerechnet haben, was man da machen müßte, damit der Nachhall ausgeschaltet wird. Eine Firma aus Bremen hat uns ein Gerüst gebaut, an dem eine zur Dommitte hin ansteigende Schalldecke aufgehängt wird. Zusammen mit dem amphitheatralisch aufgebauten Konzertpodium bildet sie einen Schalltrichter, der die Abstrahlung nach hinten in den Kirchenchor reduziert und entsprechend für das Publikum den direkt hörbaren Schallanteil verstärkt. Wir erhoffen uns insgesamt eine Verminderung des Schallpegels und denken, daß der Detailreichtum des Werkes dadurch deutlicher hervortritt. Sicher wird es bei schnellen tempi Schwierigkeiten geben, aber Mahlers Zweite lebt ja nicht unbedingt vom prestissimo. Im Grunde greifen wir damit Erfahrungen der Popmusikveranstalter in open-air-Konzerten auf.

Ich meine, es ist den Schweiß der Edlen wert, denn der Dom ist ein schöner Veranstaltungsraum, und wir bekommen für Bremen, wenn das Experiment Erfolg hat, einen neuen Spielort für große Musikwerke. An Konkurrenz zur Glocke ist nicht gedacht, aber denken Sie mal an meine Aufführung der Gurrelieder von Schönberg vor Jahren in der Glocke. 400 Mitwirkende waren da versammelt. Um die unterzubringen, mußten wir die ersten Reihen rausschmeißen. Und der Klang dieses Apparates hat die Glocke fast gesprengt. Bremen hat ja nun leider immer noch keinen großen Konzertsaal. Auch in den Planungen für dieses Kongreß-Spektakel an der Stadthalle ist wieder nur ein Saal mit höchstens 1.500 Plätzen vorgesehen. Was wir brauchen ist ein schöner, großer Veranstaltungsraum, in dem auch ein Spitzenorchester ein Gastspiel geben mag und zu dem so viele Zuhörer kommen können, daß die Eintrittskarten bezahlbar bleiben. Im Augenblick bleibt uns nichts anderes übrig, als abenteuerlustig zu experimentieren.“ Mario Nitsche

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