: EG dealt mit Iran Rushdie-Affäre vorbei?
■ Aus Dublin Ralf Sotscheck
Die Europäische Gemeinschaft steht kurz vor einem Abkommen mit Iran, das eine Normalisierung der politischen Beziehungen herbeiführen soll. Das gab der italienische Außenminister und Präsident des EG-Ministerrats, Gianni de Michelis, am Montag in Brüssel bekannt. Die EG will eine Erklärung abgeben, in der sie „ihren Respekt für Religion“ ausdrückt und die „Nichtachtung von Religionen“ ablehnt. Im Gegenzug soll Iran sich verpflichten, „internationale Gesetze“ anzuerkennen.
Die italienischen Diplomaten sind zuversichtlich, daß Iran nach Veröffentlichung dieser Erklärungen das Todesurteil gegen den indisch-britischen Schriftsteller Salman Rushdie aufheben wird, das im Januar 1989 zum Abbruch der Beziehungen zwischen der EG und Iran geführt hatte. Rushdie hält sich seitdem in Großbritannien versteckt. Die Außenminister Italiens, Irlands und Luxemburgs wollen am Rande der UN-Konferenz Ende des Monats in New York mit ihrem iranischen Amtskollegen Ali Akbar Velayati verhandeln.
Die Verbesserung der EG-Beziehungen zu Syrien und dem Iran hatten die EG-Außenminister am vergangenen Freitag beschlossen. Der europäische Sinneswandel hängt natürlich eng mit dem Golfkrieg zusammen: Das Balzen um die Gunst der bis vor kurzem als „terroristisch“ eingestuften Regierungen soll dazu dienen, Iran und Syrien in die politische und wirtschaftliche Isolierung Iraks einzubinden. Bereits im vergangenen Monat hat die EG Reisen bestimmter Minister nach Teheran genehmigt. Das war offenbar die Belohnung für die iranische Verurteilung der Invasion Kuwaits.
US-Außenminister James Baker ist unterdessen auf dem Weg nach Damaskus, um mit dem syrischen Präsidenten Hafez al-Assad zu verhandeln. Der Baker-Trip ist in Großbritannien mit Zähneknirschen aufgenommen worden, macht man in London doch pro-syrische Palästinenser für das Lockerbie-Attentat von 1988 verantwortlich. Doch die britische Regierung hatte bisher auf das falsche Pferd gesetzt: Das einzige Land in der Golfregion, zu dem London diplomatische Beziehungen unterhielt, war Irak. Davon ließ sich Premierministerin Thatcher weder durch die Hinrichtung des britischen Journalisten Farzad Bazoft wegen angeblicher Spionage, noch durch die Affaire um das „Supergeschütz“ abbringen. London ist nun jedoch bereit, die diplomatischen Beziehungen mit Iran wiederaufzunehmen und das Todesurteil gegen Rushdie als rein „religiöse Angelegenheit“ zu betrachten. Im Gegenzug erwartet man allerdings eine „bedeutende Geste“, wie etwa die Freilassung des britischen Geschäftsmanns Roger Cooper, der im Iran wegen Spionage angeklagt ist, sowie positive Auswirkungen auf die britischen Geiseln im Libanon.
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