: Japans Hundertjährige
Wenn man sich die Japaner anschaut, kann einem der Verdacht kommen, daß sich Leistung eventuell doch auszahlen könnte. In Nippon knechten schon die Schulkinder, die Studenten arbeiten sich den Arsch ab, und wenn sie erst mal einen der begehrten Jobs an Land gezogen haben, gibt's überhaupt kein Halten mehr: leben, um zu arbeiten. Einige von ihnen scheffeln Berge von Geld. Der reichste Mann der Welt ist ein Japaner, geschätztes Vermögen: 16 Milliarden Dollar. Bei der ganzen Schufterei müßte eigentlich die Gesundheit flöten gehen, aber trotz Stresses sind die meisten Japaner gesund. Die 44jährige Hisako Misu ist z.B. zum 18. Mal (!) Mutter geworden. Der 3.780 Gramm schwere Junge und seine Mutter sind wohlauf. Außerdem werden die Japaner immer älter: In Nippon sind gegenwärtig 3.298 Einwohner älter als einhundert Jahre. Wie das Gesundheitsministerium in Tokio letzten Dienstag mitteilte, sind das 220 mehr als im Vorjahr. 79,4 Prozent der Hundertjährigen sind Frauen. Spitzenreiterin und älteste Einwohnerin Japans ist mit 112 Jahren Frau Waka Schirahama, die in dem südjapanischen Amtsbezirk Miyazaki lebt. Der älteste Mann, Nisaburo Matsuyama, folgt mit 108 Jahren. Die Zahl der Hundertjährigen in Japan hat seit 1971 stetig zugenommen.
Allerdings gibt es in Japan ein ernstes Alkoholproblem. Verteidigungsminister Yozo Ishikawa kommentierte die oben erwähnte Statistik mit dem Rat an seine Landsleute, weniger tief ins Glas zu schauen, wenn sie 100 Jahre alt werden wollten. Über Alkoholismus wird in Japan normalerweise nicht öffentlich gesprochen, obwohl die Bewölkerung zu den trinkfreudigsten der Welt gehört. Im letzten Jahr nahm jeder japanische Erwachsene 97,3 Liter Alkohol zu sich. 2,2 Liter mehr als im Vorjahr. Es ist üblich, sich nach der Arbeit im Kreise von Kollegen vollaufen zu lassen. Schätzungen zufolge gibt es in Japan 2,5 Millionen Alkoholiker. Untersuchungen zeigen, daß fast ein Fünftel aller Krankenhauspatienten mit Krankheiten eingeliefert wird, die in Zusammenhang mit Alkoholgenuß stehen.
Japans Finanzminister Ryutaro Hashimoto gab die Statistik der Hundertjährigen in ganz anderer Weise zu denken. Offenbar beschäftigt ihn vor allem, daß zwei Drittel der Hundertjährigen Frauen sind. Der Minister fand für den relativ geringen Männeranteil keine andere Erklärung als „tyrannische Ehefrauen“. Sie seien für den frühen Tod ihrer Gatten verantwortlich. Karl Wegmann
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