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Verdeckter Aufschlag ins Abseits

■ In der Tischtennis-Bundesliga der Frauen verloren die Reinickendorfer Füchsinnen gegen den Meisterschaftsfavoriten TSG Dülmen mit 2:8/ Nach dem Weggang wichtiger Spielerinnen spielen die Berlinerinnen gegen den Abstieg

Reinickendorf. Never change a winning team. Über dieses anachronistische, weil kostenneutrale Erfolgsrezept kann in der Tischtennisabteilung der Reinickendorfer Füchse nur müde gelächelt werden. Längst stellt die Vereinskasse die Mannschaft auf. Money changes everything. Diese bittere Erfahrung mußten auch die Bundesliga-Frauen des Nordberliner Clubs machen.

Letztes Jahr noch Vierte in der Endabrechnung, schrillten noch vor der gerade begonnenen Saison die Alarmglocken. »Wir brauchen einen Sponsor«, flehte Füchsinnen-Manager Urbschat, doch der nahende Wechseltermin kam seinen Bemühungen zuvor. Mit Ilka Böhning (TSG Dülmen), Margit Freiberg (Bayer Uerdingen) sowie Ulla Rottmann (DSC Kaiserberg) verließen die Stützen ihren Fuchsbau. Lange Zeit überlegte Urbschat, der das Frauentischtennis im Verein herangezüchtet hat, welchen Kurs er einschlagen sollte. »Entweder wir fangen mit rein Berliner Nachwuchsspielerinnen in der Zweiten Bundesliga neu an, oder wir fahren die Erste Liga auf kleinerer Flamme.«

Irgendwie hat es Urbschat auch diesmal wieder geschafft. Zum ersten Heimspiel gegen den Meisterschaftsfavoriten TSG Dülmen präsentierte er eine komplett umgemodelte Frauenriege. Die Nummer eins ist nunmehr die Deutsch-Rumänin Kinga Lohr, aus dem Mutterschaftsurlaub kehrte die altbewährte Kirsten Krüger-Trupkovic an die Platte zurück, während das hintere Paarkreuz (Nr. 3 und 4) von der oftmaligen DDR-Meisterin Conny Reichert und der erst 14jährigen Monika Neumann vom SKG Frankfurt/Main gebildet wird. Zu mehr hat das Geld nicht gereicht.

»Wir spielen diese Saison gegen den Abstieg«, ahnt Macher Urbschat, der genau weiß, daß in seinem Verein sehr genau auf waghalsige Sponsorendeals geachtet wird. Zu Beginn der achtziger Jahre hatte Immobilienlöwe Bendzko die Handballfüchse arg gerupft, indem er von heute auf morgen die Zahlungen für die Männerriege in der Bundesliga einstellte. »So etwas wirkt nach, ganz klar«, so Urbschat.

Weniger monetäre Scheu vor großen Namen offenbart der samstägliche Gegner der Füchsinnen. Das Provinzkaff 4408 Dülmen leistet sich eine sündhaft teure Truppe. Zwar geben sich Tischtennisfunktionäre in puncto Wechselgelder ebenso bedeckt wie die Akteure beim Aufschlag. Doch dürfte klar sein, daß in Dülmen ein Goldesel Vereinsmitglied ist. Mit der früheren chinesischen Weltmeisterin Ling Tong, der europäischen Ranglistendritten Olga Nemes (sie kam aus Saarbrücken) und der Ex-Füchsin Ilka Böhning, der Dritten der Bundesrangliste, machen die Westfälinnen Jagd auf den stärkeren Konkurrenten SpVg. Steinhagen. Aller Widerstand der Berlinerinnen nutzte nichts, wenngleich Kinga Lohr gegen Ilka Böhning Vor-, Rück- und Überhand für sich behielt, und auch Mama Krüger- Trupkovic, Dülmens Alexandra Nolte, geschickt abblockte. Die abgebrüht wirkenden Dülmerinnen mußten nicht lange auf die zwei Punkte aus Berlin warten. Ärgerlich nur, daß sie für die einseitige Begegnung elf Stunden Anfahrt in Kauf nehmen mußten. Auch bei potentiellen Sponsoren werden es die Füchse weiterhin schwer haben. Bei Spielbeginn verloren sich gerade mal 30 Fan-Hanseln inklusive Pressefritzen in der Sporthalle Cyclopstraße. Randgruppen lassen sich halt schlecht umwerben. Jürgen Schulz

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