Von Drogen noch weitgehend unbehelligt

■ Gesundheitsminister zieht vorläufige Bilanz/ Noch kein Markt für harte Drogen/ Modellprojekte für Beratung beantragt/ DDR nimmt im Alkoholmißbrauch in Europa Spitzenstellung ein

Berlin (taz) — Entgegen den Erwartungen hat sich eine Zunahme von illegalen Drogen auf dem Gebiet der DDR bisher nicht bestätigt. Wie der Minister für Gesundheit, Arbeit und Soziales, Jürgen Kleditzsch, gestern mitteilte, habe sein Amt nach vorliegenden Meldungen der Kriminalämter, Zollbehörden und Suchtkliniken keine sicheren Anzeichen der „Zunahme von illegalen Drogenabhängigen“ registrieren können. Von den 28 Aidskranken und 102 der Behörde bekannten HIV-infizierten DDR-Bürgern sei keiner drogenabhängig, bei den zwei ermittelten Drogentoten auf dem Gebiet der DDR habe es sich um Bundesbürger gehandelt. Mit der Entwicklung einer eigenständigen Drogenszene rechnet Kleditzsch nach Voraussagen der Kriminalämter in etwa ein bis zwei Jahren.

Eine „unrühmliche Spitzenstellung in Europa“ nehme die DDR jedoch nach wie vor im Alkoholmißbrauch ein: Der jährliche Alkoholkonsum liegt bei 11 bis 13 Liter pro Kopf der Bevölkerung, die Zahl der Abhängigen wird auf rund 1,5 Millionen geschätzt.

Wie Kleditzsch weiter erläuterte, wurde von den Regierungsbeauftragten der einzelnen Länderregierungen ein Netz von Suchtbeauftragten aufgebaut, die in den zukünftigen Ländern beratende und koordinierende Funktionen übernehmen sollen.

Schwerpunkt der anzugehenden Maßnahmen sei vor allem die Suchtprävention. Entsprechend wurde beim Bund die Finanzierung von vier Modellprojekten ab 1991 beantragt, die sich in Anlehnung an Modelle in der BRD aus Psychosozialen Beratungsstellen, mobiler Drogenprävention vor allem für ländliche und kleinstädtische Bereiche und 20 Freizeithäusern als „Alternativmodelle zur Suchtprävention im Freizeitbereich“ zusammensetzen. Darüber hinaus werden Qualifizierungsprogramme vor allem für Ausbilder angestrebt. Bewilligt wurden diese Projekte jedoch bislang noch nicht. maz