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Unschuldskanzler in der Klemme

U-Boot-Geschäft: Ehemaliger CSU-Chef Strauß bringt Bundeskanzler aus dem Jenseits unter Druck — war Kohl seit 1983 eingeweiht?/ Grüne stellen jetzt erneut Strafanzeige wegen Falschaussage  ■ Aus Bonn Gerd Nowakowski

Starke Worte fand Bundeskanzler Kohl Ende Mai als Zeuge vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuß zur Aufklärung des U-Boot-Geschäfts mit Südafrika: Er sei „überrascht“, „zutiefst betroffen“ und „empört“ gewesen, als er im Sommer 1985 erstmalig durch Innenminister Schäuble von Blaupausenlieferungen der Firmen in den Apartheidstaat hörte — schließlich habe es „wiederholte klare Absagen“ für das Geschäft gegeben. Nun aber sollen die Aussagen Kohls ein juristisches Nachspiel haben — dies wollen zumindest die Grünen. Sie stellten gestern in Bonn Strafanzeige wegen vorsätzlicher Falschaussage gegen den Kanzler. Neu aufgetauchte Unterlagen zeigten, daß Kohl, sein Berater Teltschik und der ehemalige Kohl-Staatssekretär Schreckenberger die Parlamentarier „systematisch belogen“ hätten, erklärten die Ausschußmitglieder Eid und Beer.

Unter Druck gebracht hat den Kanzler aus dem Jenseits der verstorbene CSU-Chef Strauß, dessen jetzt bekannt gewordener Brief vom 3.November 1984 die mühsam gebastelte Verteidigungslinie des Kanzleramts zu zerstören scheint. Entgegen Kohls Erinnerungsvermögen hat Strauß im Schreiben an den „lieben Helmut“ nämlich

— auf den rechtswirksam gewordenen Vertrag der Firmen mit Südafrika hingewiesen

— den Kanzler von der ersten Blaupausenlieferung in Kenntnis gesetzt

— unmißverständlich das weitere Vorgehen der Firmen beschrieben, die Lieferung zwar mit Rückendeckung der Bundesregierung, aber ohne formelle Erlaubnis weiterzuführen

— zugleich bestätigt, daß Kohl-Adlatus Schreckenberger am 31. Juli 1984 den Firmen telefonisch „grünes Licht“ für das Geschäft gab — was Schreckenberger als Ausschußzeuge noch vergangene Woche erneut bestritt.

Daß Strauß, den die Firmen als ihren „ständigen Drängler im Hintergrund“ bezeichnen, Kohl nicht aus der Pflicht zu lassen gewillt war, macht der Nachsatz im Schreiben deutlich: „Die Angelegenheit eilt sehr. Bitte informiere mich über den Fortgang.“ Auch die Firmen haben in einem jetzt bekannt gewordenen Vermerk vom 13. September 1984 festgehalten, daß Kohl und Teltschik vom Vertragsabschluß und Lieferungsbeginn Kenntnis hatten.

Bundeskanzler Kohl dagegen hatte bei seinen Vernehmungen im Februar 1987 und im Mai 1990 bestritten, überhaupt von der Inkraftsetzung des Vertrags unterrichtet gewesen zu sein noch bis zum Sommer 1985 vom Beginn der Lieferungen gewußt zu haben. Auch von Schreckenbergers Telefonat mit den Firmen, welches Strauß in seinem Schreiben resümiert, mochte Kohl in seiner Zeugenaussage vom 31. Mai 1990 nichts wissen. Und entgegen der gespielten Entrüstung vor dem Ausschuß über illegale Lieferungen der Unternehmen hinter dem Rücken der Bundesregierung war Kohl spätestens nach Lektüre des Strauß- Briefes davon informiert, daß ein solches Vorgehen von vornherein geplant war. Angesichts der präzisen Beschreibung des verstorbenen bayerischen Ministerpräsidenten über die damaligen Vorgänge erhärtet sich auch der Verdacht, Kohl sei sogar schon im Juni 1983 in das geplante Waffengeschäft eingeweiht worden. In einem anderen — später vom Kohl-Berater Teltschik vernichteten — Strauß-Brief war nämlich von einem „Dreiergespräch am 1. Juni“ die Rede, wo über das Waffengeschäft gesprochen wurde. Das deckt sich mit dem Vermerk der U-Boot-Bauer, „ab Frühjahr 1983 Sondierung bei Bundesregierung bezüglich Genehmigung“ betrieben zu haben. Kohl dagegen erinnerte sich vor dem Ausschuß nicht an ein solches Gespräch.

Mit einer Strafanzeige wegen Falschaussage gegen Bundeskanzler Kohl waren die Grünen bereits 1988 gescheitert.

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