Preßholz für Groß-Deutschland

■ Die Vorbereitungen für die erste gesamtdeutsche Parlamentssitzung im Reichstag laufen auf Hochtouren

Tiergarten. Die schwarze Limousine vor der großen Eingangstür deutet in die Zukunft: »Deutscher Bundestag« steht auf einem Papierzettel hinter der Windschutzscheibe. Aber ganz so weit ist es noch nicht. Die erste Sitzung des gesamtdeutschen Parlamentes ist für den 4. Oktober angesetzt. Tagungsort wird das Herz des Berliner Reichstagsgebäudes sein — der Plenarsaal.

An der Galerie des Plenarsaals hängen verloren zwei vertrocknende Gestecke aus rosa Gerbera und weißen Margeriten. Bis zur ersten Sitzung ist noch einiges zu tun. Gut ein Dutzend Tischler und Elektriker arbeiten im Saal. Überall stehen Werkzeugkisten herum, Sägespäne und abgeschnittene Kabelenden bedecken den hellgrauen Teppichboden. Die 700 schwarzledernen Stühle für die Abgeordneten sind noch in Plastik gehüllt. Riesige Schraubzwingen halten die schwarzlackierten Spanplatten für den Tisch der Präsidentin zusammen. Das Rednerpult davor ist bis auf die technische Ausrüstung fertig. Sehr solide wirken die Spanplattenbauten nicht. Trotzdem, es ist die Endversion, sagt der Tischler. Der Bundesadler, der vor ein paar Tagen schon einmal aufgehängt worden war, mußte aus technischen Gründen wieder herunter. Hinter einem Vorhang versteckt, steht im Moment nur ein schwarz-grauer Sperrholzvogel.

Über dem Raum hängen 16 quadratische Stahlaluminiumplatten, von denen jede etwa eine Tonne wiegt. Zum Anbringen von Lampen und Lautsprecherzeilen wurde die Stahlkonstruktion auf etwa zweieinhalb Meter Höhe heruntergelassen. Später wird sie, zusammen mit der Wabendecke, den durchlöcherten Wandplatten und dem unregelmäßigen Putz für eine schallarme Akustik in dem 18 Meter hohen Raum sorgen.

Beim Wiederaufbau nach dem Krieg ist der Saal vergrößert worden. Die Stützen für die riesige Glaskuppel wurden abgebaut und der Raum erhielt seine heutige Größe von 1.400 Quadratmetern. Laut Baupolizei dürfen genau 2.308 Menschen in dem Saal sitzen. Vorgesehen ist er aber für etwa 700 Abgeordnete und je 600 Menschen auf den zwei Galerien.

Außerdem erhielt der Plenarsaal riesige Fensterwände. Alle Menschen sollten hineinsehen können. Der Durchblick durch das Haus sollte eine durchsichtige Politik symbolisieren. Wer heute in den Saal reinsehen will, braucht allerdings eine Leiter, es sei denn, die gut zwei Meter hohen Vorhänge werden aufgezogen.

Der Saal wirkt hell, fade, bieder. Von Nostalgie keine Spur. Da muß man sich schon das Modell des alten Plenarsaals in der angrenzenden Ausstellung ansehen. Der war tatsächlich so, wie man sich einen Parlamentssaal vorstellt: Stuckverzierungen, vertäfelte Bänke und Wände und darüber die 75 Meter hohe Glaskuppel. chrib