: „Alles deutet auf Krieg“
■ Am Golf sinken die Hoffnungen auf eine diplomatische Lösung/ UNO-Sicherheitsrat berät Luftembargo/ USA versprechen Israel Ausgleich
Manama/Brüssel/New York (ap/ dpa) — „Wir leben von einem Tag auf den anderen. Was nächste Woche geschieht — daran wollen wir jetzt nicht denken“, sagt der Geschäftsmann im Golfemirat Bahrain mit verkrampftem Lächeln. Die düstere Ahnung gibt die Stimmungslage in den Golfländern wieder: Angesichts der jüngsten Eskalationen sinkt die Hoffnung immer mehr, daß sich ein Waffengang mit dem Irak noch über längere Zeit vermeiden läßt.
Ungeachtet der weiterhin proklamierten Forderung nach Abzug der irakischen Truppen aus Kuwait malen Kommentatoren von Dschidda bis Dubai das „Unvermeidliche“ an die Wand. „Es wird immer deutlicher, daß sich bewaffnete Aktionen bald als die einzige mögliche Option herausstellen [...]“, prophezeit die 'Khaleej Times‘ (Dubai). Und die regierungsnahe saudische 'Arab News‘ (Dschidda) stellt die rhetorische Frage: „Nähert sich nicht schnell der Zeitpunkt, an dem die internationale Gemeinschaft entscheiden muß, daß die Kosten von Tag zu Tag immer untragbarer werden, wenn man die Dinge wie sie jetzt stehen, laufen läßt?“
Nicht zuletzt der Abbruch diplomatischer Kontaktversuche läßt Schlimmes ahnen. „Von Verhandlungen ist überhaupt nicht mehr die Rede“, so Geschäftsleute am Golf. Westliche Diplomaten fürchten, daß eine Luftblockade beinahe unvermeidlich den Auslöser der großen Konfrontation bringen könnte. „Schiffe kann man mit einem Schuß in die Schraube stoppen, Flugzeuge müssen abgeschossen werden.“
Gestern haben sich die fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates noch nicht auf ein Luftembargo verständigen können. Die Beratungen in New York werden aber fortgesetzt, außerdem wird erwogen, auch Sanktionen gegen die Länder zu verhängen, die das Embargo unterlaufen.
Unmittelbar nach dem Beschluß der Europäischen Gemeinschaft, die irakischen Militärattachés auszuweisen, forderte Bonn die entsprechenden Diplomaten auf, das Land binnen 48 Stunden zu verlassen. Keine Einigung erzielte die EG dagegen über die Finanzhilfe für die vom Golkfkrieg am meisten betroffenen Staaten. Insgesamt wollte die EG die Türkei, Jordanien und Ägypten mit drei Milliarden Mark unterstützen. Eine Entscheidung soll bis Ende September fallen.
Die USA wollen auch bei geplanten umfassenden Rüstungslieferungen an Saudi-Arabien die militärische Stärke Israels sichern. Das sagte US-Verteidigungsminister Richard Cheney in der Nacht zum Dienstag seinem israelischen Amtskollegen Arens bei Beratungen in Washington zu. Nach dem einstündigen Gespräch berichtete das amerikanische Verteidigungsministerium, die beiden Minister hätten allgemein die speziellen Sicherheitsbedürfnisse Israels erörtert. Cheney habe die Zurückhaltung des jüdischen Staates in der gegenwärtigen Golfkrise gelobt und unterstrichen, daß internationale Einigkeit zur Eindämmung der irakischen Aggression gegen Kuwait notwendig sei.
Israel wünscht von den USA neue Waffensysteme und den direkten Erhalt von Informationen zum Nahen Osten, die die amerikanischen Aufklärungssatelliten liefern. Auch strebt Arens eine Aufstockung der amerikanischen Militärhilfe von 1,8 Milliarden Dollar an. Zumindest solle das Geld in einer Summe gleich zu Beginn des Haushaltsjahres und nicht mehr in Teilbeträgen ausgezahlt werden.
Die japanische Regierung hat einen Gesetzentwurf ausgearbeitet, der die Beteiligung von japanischen Armeeangehörigen an UNO-Friedenstruppen im Golf und in anderen Gebieten der Erde vorsieht, so zum Beispiel in Kambodscha. Wie die japanische Nachrichtenagentur 'Jiji Press‘ am Dienstag unter Berufung auf Regierungskreise meldete, will die Regierung ein ständiges Friedenscorps aufbauen, das der direkten Kontrolle des Kabinetts unterstehen soll und dem unbewaffnete „Selbstverteidigungsbeamte“, wie die Soldaten in Japan heißen, sowie Regierungsbeamte und Zivilisten angehören sollen.
Das Corps soll zwischen 1000 und 2000 Personen umfassen. Der Entwurf sieht ferner vor, daß die Armeeangehörigen, die im Rahmen von UNO-Friedensmissionen eingesetzt werden, zuvor technisch aus dem Militärdienst ausscheiden. Die japanische Verfassung aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg verbietet die Stationierung von Soldaten außerhalb Japans.
Mit dem Gesetzentwurf reagiert Tokio auf den Druck insbesondere aus den USA, die in Anbetracht der japanischen Wirtschaftskraft und der Tatsache, daß das Land auf das Öl im Mittleren Osten angewiesen ist, eine stärkere Beteiligung Japans an den multinationalen Streikräften in der Golfregion fordern.
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