„Wir bringen uns selbst in Laune“

■ Gespräch mit der Tänzerin Stella vom „Tutti Frutti“-Ballett

Zweifellos ist die RTL-Sendung Tutti Frutti ein Tiefpunkt der bundesdeutschen Fernsehunterhaltung. Genausowenig läßt sich allerdings bezweifeln, daß sie einen immensen Erfolg zu verzeichnen hat, und daß die Verbindung aus unverschämt simplen Spielchen, verkrampfter Serviceleistung für Voyeurs und nicht nachvollziebaren Spielregeln selbst Gegner dieser Sendung fasziniert. Der exorbitant hohe Verblödungsfaktor der Ratespielchen wird konterkariert, wenn nicht sogar übertroffen durch eines der letzten Mysterien des Fersehabendlandes: dem geheimnisumwitterten Länderpunkt. Rätselfreunde, Kriminologen und Hilfswissenschaftler haben sich bereits an seiner Entschlüsselung versucht — ohne Erfolg. Die aus Stuttgart stammende Tänzerin Stella spielt im Früchtecocktail dieser Sendung, dem „Cin Cin“-Ballett, die Zitrone. Im Rahmen eines Diskothekenauftritts einiger Damen des Ensembles hatte der taz-Reporter unerwartet Gelegenheit, die Balletteuse zu interviewen. Und er dachte natürlich zunächst nur an das Eine...

taz: Ich habe vorhin beim Einlaß einige Zuschauer interviewt. Keiner von denen hat die Sache mit dem Länderpunkt begriffen. Kannst du mir das nicht mal kurz erklären...

Stella: Das ist auch für uns etwas schwierig, weil wir haben es auch in der Sendung selbst nicht ganz geschnallt. Das ist einfach so, daß ein Mädchen ein gesamter Länderpunkt ist. Das heißt, wenn sie gesamt ausgezogen ist, kriegt der Kandidat einen Länderpunkt. So weit ich weiß, sind das 60.000 Punkte oder so; und wie die jetzt genau zusammengesetzt sind, das war, glaube ich, auch während der Sendung nie ganz klar.

Wie bist du zum „Tutti Frutti“- Team gestoßen?

Ich bin durch eine Agentur zu „Colpo grosso“ gekommen, also das italienische Vorbild, und hab dort neun Monate lang mit den anderen sechs Mädchen „Colpo grosso“ aufgenommen. Im November kam RTL und hat 56 Sendungen produziert, wovon wir ein paar vor Weihnachten und den Rest im Januar gedreht haben.

Was macht ihr außer „Tutti Frutti“?

Ich bin Model, Angelique ist in Holland Model, Monique singt, tanzt, macht ihre Shows, Nicki ist Model in England, Jasmin hält sich momentan in Italien auf und macht eigentlich erstmal Urlaub, Natascha lebt in Paris und ist dort Mannequin, und Alma dreht Filme in Italien.

Wie ich hörte, entstehen die Sendungen immer unter enormem Zeitdruck...

Ja klar. Wenn wir 56 Sendungen in zwei Wochen abdrehen, ist das natürlich kurz. Das heißt, für die Italiener haben wir zwischen drei und vier Shows pro Tag gedreht, und für die Deutschen waren es meistens drei, weil die Show etwas länger ist. Die italienische ist kürzer. Jemand, der deutsche Produktionsbedingungen gewohnt ist, braucht erstmal eine Weile, ehe er sich mit den italienischen zurechtfindet. Das ist alles ein sehr sympathisches Chaos, um es mal so zu formulieren. Man braucht eine Weile, bis man in diesen Rhythmus kommt. Es ist nicht wie bei uns, daß ein Plan da ist — der existiert zwar, aber kein Mensch hält sich dran. Von daher sind die Bedingungen schon relativ hart, weil du nie weißt, wann du frei hast; du weißt nie, wann du abends aufhörst; die kannst überhaupt nichts planen... Das heißt, in den neun Monaten, die wir da gedreht haben, waren wir da voll und ganz involviert, eben immer abkömmlich.

Trotzdem hat man den Eindruck, daß alle Beteiligten mit Spaß bei der Sache sind...

Ja natürlich. Du kannst nicht pausenlos ein falsches Lächeln aufsetzen. Das geht mal für ein paar Sekunden, wenn du weißt, die Kamera kommt, aber im allgemeinen mußt du dich einfach selbst bei Laune halten. Ich kann nicht für die anderen sprechen, weil die wurden jede Woche ausgewechselt — wir „Cin Cin“- Girls sind als feste Gruppe die ganze Zeit dabei. Wir bringen uns einfach selbst immer in Laune, und wir hatten so ein gutes Verhältnis — wir haben ja auch gemeinsam gelebt dort, daß, wenn es irgend jemand schlecht geht oder wenn die Stimmung schlecht ist, dann immer einer da ist, der dafür sorgt, daß sie wieder besser wird. Man muß sich also einfach selbst bei Laune halten; das muß man als Profi machen. Das wird von einem auch erwartet.

Bezieht sich das auch auf die Leute hinter der Kamera?

Die haben uns auch sehr geholfen. Aber dazu muß man sagen, die Atmosphäre in einem italienischen Studio ist wirklich anders als in einem deutschen. In den deutschen geht es sehr gesittet und geradlinig und punktuell ab, und bei den Italiener ist halt immer ein Haufen Fun dabei. Wir hatten einige Kameraleute, und wenn die merkten, heute sind die Mädels gar nicht gut drauf, dann haben die uns schon auch geholfen, haben Späßchen da hinter der Kamera gemacht, zum Teil mitgetanzt...

Manchmal sehen ja auch die Zuschauer diese Albereien, wenn plötzlich die Hände des Kameramanns ins Bild greifen usw. Wird so etwas spontan gemacht oder ist das abgesprochen?

Das sind spontane Sachen. Dazu muß man auch wieder sagen, daß die italienische Show zum Beispiel sehr viele solcher spontanen Sachen enthält. Auch viele Fehler werden nicht rausgeschnitten. Das geht bei den Deutschen nicht, weil das auch das Publikum nicht gewohnt ist, daß da irgendein Kabel durchs Bild läuft oder so. Das wird bei uns eben entfernt. Dazu kommt natürlich, daß wir eigentlich nicht viel Zeit hatten zum Schneiden. Deswegen mußte alles relativ zivilisiert ablaufen. Da ist einfach keine Zeit zum Scheiden gewesen; 99 Prozent sind im Prinzip live. Das ist wirklich am Stück abgedreht worden, außer wenn wirklich mal ein Schnitzer drin ist.

Interview: Harald Keller